Die Kunsthalle in Karlsruhe: Frédéric Bußmann ist ihr neuer Wissenschaftlicher Direktor. Foto: Kristin Schmidt/Bruno Kelzer

Offiziell am 1. August wird Frédéric Bußmann Direktor der Kunsthalle Karlsruhe. Die Arbeit aber beginnt bereits. Zentrales Thema ist die Sichtbarkeit des Museums während Sanierung und Umbau.

Die Kunsthalle Karlsruhe hat Gewicht in der deutschen Kunstmuseumslandschaft. Weithin einmalig ist ihr Bestand an französischer Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts. Wie aber will Frédéric Bußmann (48), bisher Generaldirektor der vier Museen der Kunstsammlungen Chemnitz, von 1. August an als Wissenschaftlicher Direktor der Kunsthalle Karlsruhe nicht nur diesen Schatz leuchten lassen, wenn doch die Kunsthalle wegen Sanierung und Umbau mehrere Jahre geschlossen ist? Reicht die jüngst eröffnete Schau „KunsthalleKarlsruhe@zkm“ im Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe aus? Wir haben nachgefragt.

Herr Bußmann, Sie starten im August, die Kunsthalle ist einige Jahre geschlossen. Was ist das für ein Gefühl?

Ein gutes Gefühl, auch wenn ich natürlich bedaure, die Sammlung und Sonderausstellungen in den ersten Jahren nicht im wunderbaren und traditionsreichen Bau der Kunsthalle zeigen zu können. Aber zum einen bedeutet die temporäre Schließung, dass wichtige Sanierungen vorgenommen werden und das Gebäude danach optimal aufgestellt ist; zum anderen kann diese Zeit auch eine Phase des Experimentierens sein, eine neue Versuchsanordnung, um die Arbeit der Kunsthalle weiterzuentwickeln.

Teile der Sammlung werden in den Hallen des Zentrums für Kunst und Medien präsentiert werden. Das provoziert einen neuen, einen eher auf das 20. Jahrhundert zielenden Blick auf die Sammlung. Richtig?

Die Kunsthalle hat einen bedeutenden Schwerpunkt in der Altmeistersammlung, die auch in Zukunft großes Gewicht haben soll. Aber natürlich hat die Kunsthalle auch einen herausragenden Bestand an moderner Kunst, der stärker in den Fokus rücken sollte, ebenso die Nachkriegszeit bis Gegenwart. Ein Museum, das sich nicht für seine eigene Zeitgenossenschaft interessiert, droht nur in der Vergangenheit zu verharren.

Was wird Ihre Position sein?

Mein Ideal eines Museums ist eines, das inmitten der Gesellschaft und im Leben der Menschen ist. Das führt im Umkehrschluss aber nicht zu einer einseitigen Fokussierung, sondern zu einer ausgewogenen Verbindung der Alten Kunst mit der Moderne und Gegenwart, vielleicht sogar zu einem befruchtenden Dialog im Sinne der neuen Nachbarschaften? Das ZKM macht ein herausragendes Programm, das aber völlig anders gelagert ist. Wir müssen schauen, wo wir sinnvollerweise zusammenwirken können, vielleicht auch voneinander lernen können, ohne dass ich aber das Bedürfnis verspüre, das ZKM nachzuahmen.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht gerade jetzt der Aspekt der Unterscheidbarkeit, des Singulären der Kunsthalle?

Das ZKM hat ein sehr spezifisches Profil und eine völlig eigene Arbeitsweise, die sich von der Staatlichen Kunsthalle sehr unterscheidet. Die Stärke eines solchen Ortes der Kunst und Medien kann aus meiner Sicht nur aus der Vielfalt unterschiedlicher und unterscheidbarer Einrichtungen bestehen. Das macht meiner Ansicht nach seinen Reichtum und Anziehungskraft aus.

Der Glanz der Kunsthalle entfaltet sich indes in ihrem Gewicht der französischen Kunst. Wie können Sie dieses Gewicht in den kommenden Jahren wirken lassen?

Das ist richtig, es gibt einen gewichtigen Sammlungsbestand französischer Kunst unterschiedlicher Epochen in der Kunsthalle, das war auch einer der Gründe, warum ich mich um die Stelle als Direktor beworben habe. Die Kunsthalle blickt zurück auf vielfältige Forschungen und Ausstellungen zu Frankreich, die sehr erfolgreich waren und das Image des Hauses noch mal sehr positiv geformt haben.

Wie werden Sie mit all dem umgehen?

Ich intendiere dazu, diese Richtung weiter zu stärken, die Kontakte zu den Museen und Forschungseinrichtungen in Frankreich – und nicht nur in Paris – auszubauen, Kooperationen zu suchen und Karlsruhe als Plattform des Austauschs mit Frankreich weiter zu verankern und hier den Blick auch auf die Nachkriegszeit und Gegenwart zu richten.

Ihre Vorgängerin Pia Müller-Tamm hat als Direktorin den Teamgedanken forciert. Hilft das Ihnen jetzt?

Museumsarbeit ist immer Teamarbeit, ich teile Pia Müller-Tamms Haltung voll und ganz. Ich wurde sehr freundlich und offen vom Team empfangen. Ich hatte den Eindruck, dass es ein gut funktionierendes Team ist, das gemeinsam an der Zukunftsfähigkeit der Museen arbeiten will. Als Direktor habe ich eine Vorstellung von Museum und will gestalten, dies kann nur im konstruktiven Aushandlungsprozess mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passieren. Vielleicht wird es an der einen oder anderen Stelle noch mal zu prüfen sein, ob die Strukturen und Prozesse optimal funktionieren, aber das ist ein Weg, den wir gemeinsam gehen werden.

Die Kunsthalle hat diverse digitale Vermittlungsformate entwickelt. Die Erwartungen sind groß. Gleichzeitig haben die Museen während der Pandemie gelernt, dass die Nutzer viele großartige Ideen nicht honorieren. Setzen Sie erst einmal alles auf den Prüfstand?

Ich halte es grundsätzlich für richtig, digitale Kommunikation und Vermittlung auszubauen und möchte das auch in Zukunft machen. Hier bedarf es aber, wie bei allen Bereichen der Museumsarbeit, natürlich immer auch einer Evaluierung, also der Erfolgskontrolle und Bewertung: Wen erreichen wir mit welchem Format, wie sind die Reichweiten, die Reaktionen, wo ist der Benefit für die Nutzerinnen und Nutzer und für das Museum?

Sie behalten also die hohe digitale Schlagzahl bei?

Wir leben in einer digitalen Gesellschaft; es wäre schädlich, sich hier vornehm zurückzuhalten und an den Bedürfnissen der Menschen vorbeizuarbeiten. Aber, das ist mir sehr wichtig, Museum und Ausstellungen sind vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, analoge Räume, die von der direkten sinnlichen Erfahrung von Kunst im Raum und vom sozialen Miteinander im Raum leben. Das ist die Stärke der Kunst und der Museen, die gilt es meines Erachtens in den Vordergrund zu stellen.

Vielleicht hat Sie ja auch die fraglos gute Zusammenarbeit mit dem Land, aber auch mit der Stadt bei der Sanierung bewogen, die Herausforderung Karlsruhe zu suchen. Umgekehrt: Wie sehen Sie Ihre persönliche Rolle im weiteren Prozess? Ist der Blick von außen ein Vorteil?

Die Kunsthalle befindet sich in Trägerschaft des Landes, die Sanierung wird unter der Bauherrschaft von Vermögen und Bau, Amt Karlsruhe, realisiert. Alle Beteiligten – Bauherrschaft, Architekten, Fachplaner und Nutzer – haben hier bereits sehr viel Arbeit investiert und das Projekt weiter vorangebracht. Ich konnte bereits an ersten Baubesprechungen teilnehmen und habe den Eindruck gewonnen, dass hier ein gutes Miteinander besteht. Der Vorteil als derzeit noch Außenstehender ist, dass ich viele Fragen stellen kann und stellen werde. Das Projekt befindet sich in der Leistungsphase 5, der Ausführungsplanung. Hier werden in Kürze viele Detailentscheidungen zur Gestaltung zu treffen sein, darauf freue ich mich.

Sie sind, das ist zu spüren, in Karlsruhe herzlich willkommen. Haben Sie bereits einen Lieblingsort für sich entdeckt?

Ich war sofort begeistert von der kreativ-quirligen Atmosphäre im ZKM. Und ich empfinde auch den botanischen Garten, mitten in der Stadt gelegen, als eine Oase der Ruhe und Entspannung. Ich kenne vieles aber noch nicht und freue mich, Lieblingsorte in Stadt und Region zu entdecken!

Frédéric Bußmann und die Kunsthalle Karlsruhe

Frédéric Bußmann
1974 in Boulogne-Billancourt in Frankreich geboren, wuchs Frédéric Bußmann in Münster auf und studierte Kunstgeschichte und Neuere und Neueste Geschichte in Berlin und in Rom. Nach seinem Volontariat in der Graphischen Sammlung und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München agierte Bußmann als Kurator im Museum der bildenden Künste Leipzig. Zum 1. Mai 2018 übernahm Bußmann in Nachfolge von Ingrid Mössinger die Leitung der Kunstsammlungen Chemnitz.

Kunsthalle Karlsruhe
Das von Heinrich Hübsch in den Jahren 1836 bis 1846 als Großherzogliche Gemäldegalerie errichtete und in mehreren Ausbauphasen erweiterte Gebäude gehört zu den ältesten Museumsbauten Deutschlands. Seit dem 1. November 2021 sind die drei Gebäude sanierungsbedingt geschlossen. Die Wiedereröffnung ist für die Jahre 2028/2029 geplant. Bis Ende April war Pia Müller-Tamm Direktorin der Kunsthalle. Von 29. April an sind ausgewählte Arbeiten der Kunsthallen-Sammlung in den Hallen des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) zu sehen.