Kanzlerin Angela Merkel erfreut sich in der Coronakrise steigender Beliebtheit. Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Umfragewerte der Union steigen. Doch das Krisenmanagement einiger Spitzenkräfte wirft neue Fragen bei der Suche nach geeigneten Kanzlerkandidaten auf.

Berlin - In der CDU bekommt man zurzeit eine ziemlich einmütige Antwort, wenn die Frage nach der Zukunft der Parteispitze kommt. Sie lautet: abwarten! Abgeordnete wie Parteifunktionäre sind froh, dass die Corona-Krise die ursprünglich für diesen März geplante Neuwahl bis zum Dezember verschoben hat. Die kaum verborgene Erleichterung hängt vor allem mit zwei Entwicklungen zusammen. Zum einen zeigt Angela Merkel in der beispiellosen Gesundheits- und Wirtschaftskrise als Bundeskanzlerin wieder alte – nicht wenige behaupten, bewährte – Reflexe: Gelassenheit, Pragmatismus, Souveränität. Zum anderen wird vielen zunehmend bewusst, dass man in der Partei mit den beiden aussichtsreichsten Kandidaten um den Vorsitz, Friedrich Merz und Armin Laschet, nicht glücklich ist.

Gerade der Umfrage-Höhenflug der Union (nicht zuletzt durch das fulminante Erstarken der Söder’schen CSU) stimmt immer mehr Abgeordnete in der Bundestagsfraktion nachdenklich, mit welchem personellen Angebot das neue Merkel-Hoch stabilisiert werden könnte. Im Mai-Deutschlandtrend der ARD liegen CDU und CSU bei 39 Prozent, fünf mehr als im April. Ähnlich sind die Zahlen im ZDF-Politbarometer. Der bisher härteste Verfolger, die Grünen, ist abgeschlagen und muss sich mit 18 Prozent wieder mehr an den 16 bzw. 15 SPD-Prozenten orientieren, als dicht hinter den Schwarzen vom Überholmanöver zu träumen. Auch Merkel ist populär wie seit langem nicht. 68 Prozent sind mit ihrer Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden. Der höchste Zuspruch seit Juli 2017. Während sich laut YouGov-Umfrage Ende Februar nur 21 Prozent wünschten, dass sie weitermacht, sind es nun 30 – auch wenn gut die Hälfte der Befragten weiter dagegen halten.

Angesichts solcher Werte schrumpft der Führungsanspruch des sehr ehemaligen Bundestagsfraktionschefs Merz und des NRW-Ministerpräsidenten Laschet von Woche zu Woche mehr. Von Norbert Röttgen, dem Dritten im Bunde, ist ohnehin nicht mehr die Rede.

Laschet als möglicher Verlierer

Vor allem Laschet wird vorgehalten, in der Corona-Krise opportunistisch gehandelt, sein Lockerungsfähnchen zu sehr nach dem Stimmungswind gehängt und auch wenig kompetent argumentiert zu haben. Merz wird immer weniger zugetraut, die wirtschaftlichen Rückschläge und Herausforderungen der Corona-Krise mit seinen Gestern-Strategien meistern zu können.

Das sorgt in der CDU – dem Umfragehoch zum Trotz – für Nervosität. Wenn auch noch für leichte. Was, wenn man einsehen muss, dass der nächste Parteichef nicht die Qualität zum Kanzlerkandidaten hat? Wenn sich in dieser Unzufriedenheit und Verunsicherung doch CSU-Chef Markus Söder unaufdringlich anböte? Und wenn eine wiedererstarkte Kanzlerin plötzlich das Maß aller Nachfolge-Dinge ist? Schon machen Überlegungen die Runde, Vorsitz und Kandidatur doch zu trennen, was die Chance von Gesundheitsminister Jens Spahn wachsen ließe. Oder eine schlagkräftige Kombination Spahn/Söder ermöglichen könnte.

Noch geht in der Union niemand davon aus, dass Merkel, die Überraschende, doch noch ihren Rücktritt vom Rückzug verkünden könnte – auch wenn sie es eisern vermeidet, sich nach dem Scheitern ihrer Lieblingsanführerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu den Nachfolgekandidaten zu äußern. Sie sieht ihre Aufgabe darin, das Land durch die Krise, Europa in sicheres Gewässer und ihre Partei in eine gute Ausgangslage zu führen. Die CDU muss sich deshalb in unsicheren Zeiten einer nicht ungefährlichen Vorsitzenden-Debatte stellen. Die Corona-Krise hat die Stärken und Schwächen jetziger und möglicher Bewerber offengelegt. Und die Karten neu gemischt.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de