Zugang zu einem Impfzentrum in Berlin: Die Nachfrage nach Corona-Schutzimpfungen war zuletzt bundesweit enorm. Gleichwohl lehnt es ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ab, sich immunisieren zu lassen. Foto: dpa/Paul Zinken

Der designierte CDU-Chef bringt einen Stufenplan für diverse Berufsgruppen ins Gespräch. Im Januar beschäftigt sich der Bundestag mit der Frage, ob der Staat eine Corona-Immunisierung vorschreiben sollte.

BERLIN - Wenige Tage vor dem Jahreswechsel nimmt die Debatte über verpflichtende Corona-Impfungen deutlich an Fahrt auf. Der designierte CDU-Chef Friedrich Merz regte an, neben Pflegepersonal stufenweise weitere Berufsgruppen einer spezifischen Impfpflicht zu unterziehen. Als Beispiele nannte er Bedienstete in Kitas, Schulen und Universitäten, aber auch von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen. „Ihnen könnte man eine solche Pflicht auferlegen, weil sie von Anfang ihrer Tätigkeit an eine Verpflichtung eingegangen sind, diesem Land zu dienen“, sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zugleich machte Merz deutlich, dass er eine Impfpflicht für Jedermann weiterhin skeptisch sieht. Diese werfe eine Reihe von ethischen, verfassungsrechtlichen und organisatorischen Fragen auf.

Abstimmung ohne Fraktionszwang

Die SPD-Fraktion im Bundestag reagierte eher wohlwollend auf den Vorstoß. Fraktionsvize Dirk Wiese sagte am Montag unserer Zeitung, das Parlament werde im neuen Jahr ergebnisoffen über die Einführung einer Impfpflicht diskutieren. Es werde verschiedene Gruppenanträge geben, über die die Abgeordneten dann ohne Fraktionszwang abstimmen sollen. „Ein konstruktives Einbringen von Seiten der CDU in die Erarbeitung der Gruppenanträge, wie es den Äußerungen von Friedrich Merz zu entnehmen ist, ist ausdrücklich zu begrüßen“, sagte Wiese. Er ergänzte: „Bisher fiel die CDU/CSU-Fraktion leider durch gegenteilige Verlautbarungen auf.“

Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink sagte hingegen: „Wenn wir einen Weg aus der Pandemie finden und dauerhaft eine Überlastung des Gesundheitswesens vermeiden wollen, brauchen wir unter Omikron-Bedingungen mindestens eine Impfquote von 90 Prozent. Deshalb kann der Vorschlag von Herrn Merz an dieser Stelle nicht die Lösung bringen.“

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Der Bundestag soll sich bereits in der am 10. Januar beginnenden Sitzungswoche erstmals mit der möglichen Einführung einer Impfpflicht beschäftigen. Es handelt sich dabei nicht um ein Projekt der neuen Ampelkoalition. Geplant ist vielmehr, dass Abgeordnete parteiübergreifende Anträge verfassen und sich bei der Abstimmung von ihrem Gewissen leiten lasse. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), gehören zu den Befürwortern einer allgemeinen Impfpflicht. Auch Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner tendiert dazu. Zu den Wortführern der Impfpflicht-Gegner gehört unter anderem Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP).

Druck aus den Ländern

Die nun vom designierten CDU-Chef Merz vorgebrachte Idee, eine Corona-Impfpflicht auf einzelne Berufsgruppen zu beschränken, ist an sich nicht neu. Bereits beschlossen ist dies für Beschäftigte von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Der Deutsche Ethikrat hatte im Jahr 2019 ausdrücklich eine berufsbezogen Pflicht zur Masernimpfung empfohlen und dabei auch das Sozial- und Bildungswesen genannt. Im Zusammenhang mit Corona kam der Ethikrat auf diesen Gedanken zurück. In seiner jüngsten Stellungnahme sprach sich das Gremium dann mehrheitlich dafür aus, eine Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen einzuführen. Dies sei notwendig, um die Pandemie dauerhaft unter Kontrolle zu bringen.

Auch zahlreiche Länder-Regierungschefs werben für eine allgemeine Impfpflicht – darunter Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sowie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte am Montag: „Ich würde am liebsten alle Menschen davon überzeugen, dass die Impfung der richtige Weg ist, um sich selbst zu schützen, die Nächsten, die Liebsten aber auch die Gesellschaft.“ Esken fügte hinzu: „Wenn uns das bei allen nicht gelingt, dann muss eben eine Impfpflicht kommen.“