Kaffeebecher aus Kunststoff und Pappe gelten als Symbol der Wegwerfgesellschaft. In Zeiten des Corona-Lockdowns sind viele Cafébetreiber allerdings zwingend auf die Behälter angewiesen – andernfalls würden sie überhaupt keine Umsätze erzielen. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Kaffee „to go“, Essen vom Bringdienst, eingeschweißtes Obst im Supermarkt: Deutschland produziert Jahr für Jahr mehr Verpackungsmüll. Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz gegensteuern. Die Verbraucherzentralen halten die Pläne für unzureichend.

Berlin - Verbraucherschützer üben heftige Kritik an den Regierungsplänen zur Reduktion von Verpackungsmüll. Der vorliegende Gesetzentwurf sei unzureichend und müsse im weiteren Verfahren dringend nachgebessert werden, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, unserer Redaktion.

„Die Politik muss jetzt ein Verpackungsgesetz auf den Weg bringen, das tatsächlich auch Wirkung zeigen kann“, sagte Müller. Der Regierungsentwurf werde nicht halten können, was er verspricht – zum Beispiel eine Reduzierung von Einwegverpackungen bei der Mitnahme von Speisen und Getränken. „Verbraucher müssen dort Mehrwegverpackungen angeboten bekommen, wo sie sich außer Haus verpflegen wollen. Bei den vielen Ausnahmen im Gesetzentwurf wird das praktisch nicht möglich sein.“

Große Schlupflöcher

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will die Anbieter von frisch zubereiteten Mitnahmeprodukten wie Kaffee oder Salat unter anderem dazu verpflichten, neben Plastik-Einwegverpackungen auch Mehrwegbehältnisse anzubieten. Der VZBV bemängelt, dass sich diese Regelung auf Kunststoffverpackungen beschränkt. Es sei damit zu rechnen, dass die Anbieter auf andere Materialien ausweichen und sich die Abfallmenge gar nicht reduziert. Zudem kritisieren die Verbraucherschützer, dass die Regierung Ausnahmen in Bezug auf die Größe der Verkaufsstelle und die Zahl der Mitarbeiter plant: Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Fläche und maximal fünf Mitarbeitern sollen keine Mehrweg-Systeme anbieten müssen.

Das Bundeskabinett will sich an diesem Mittwoch mit Schulzes Gesetzentwurf befassen. Technisch geht es überwiegend um Änderungen am Verpackungsgesetz und die Umsetzung von einschlägigen EU-Richtlinien. Die Europäische Union hatte dem Plastikmüll bereits vor geraumer Zeit den Kampf angesagt und strebt an, die Mehrweg- und Recyclingquoten zu erhöhen. Das soll die natürlichen Ressourcen schonen und der zunehmenden Vermüllung der Meere entgegenwirken. Im Rahmen dieser Politik wurde bereits beschlossen, Wegwerf-Produkte aus Plastik wie Strohhalme, Besteck oder Fastfood-Boxen europaweit zu verbieten. Ab dem kommenden Jahr dürfen in Deutschland zudem keine Plastiktüten verkauft werden, was das EU-Recht als Möglichkeit ausdrücklich zulässt.

Schulzes aktueller Gesetzentwurf sieht nun auch vor, die Pfandpflicht auf alle Einweg-Plastikflaschen und Dosen auszuweiten. Bisherige Ausnahmen – etwa bei Fruchtsäften oder alkoholischen Mixgetränken – sollen abgeschafft werden. Von 2025 an sollen Plastikflaschen zu mindestens einem Viertel aus wiederverwertetem Kunststoff bestehen. Online-Händler, die Plastikverpackungen in Verkehr bringen, sollen sich finanziell an Rücknahmesystemen beteiligen.

Konsumenten wollen weniger Müll

VZBV-Chef Müller beklagte, dass in Deutschland Jahr für Jahr mehr Verpackungsmüll produziert wird. „Gleichzeitig wissen wir aus Umfragen, dass 96 Prozent der Verbraucher weniger Verpackungsmüll wollen.“ Sie hätten aber kaum Möglichkeiten, dies umzusetzen. Vor allem Obst und Gemüse lägen immer häufiger vorverpackt im Supermarkt.

In Deutschland werde auch mehr Verpackungsmüll produziert als in den meisten anderen Ländern, sagte Müller weiter. „220 Kilogramm pro Jahr und Einwohner, insgesamt also gut 18 Millionen Tonnen pro Jahr, Tendenz steigend.“ Das entspreche 60 Mal dem Gewicht des Kölner Doms inklusive Fundament. Verantwortlich für den Zuwachs seien vor allem Verpackungsmüll vom Online-Shopping, To-Go-Verpackungen, Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen.