Szene aus „Wir so: Welt retten“. Die Produktion des Jungen Ensembles Stuttgart ist auch auf der Plattform für Kinder- und Jugendtheater vertreten. Foto: Markus Hummel - Backbube/Alexander Wunsch

Eine Innovation, nicht nur für Corona-Zeiten: 13 Bühnen im Land stemmen jetzt gemeinsam die erste deutschsprachige Online-Plattform für Kinder- und Jugendtheater.

Stuttgart - Eine große weiße Digitaluhr zählt die letzten Sekunden herunter, auf dem Video sieht man einen roten Vorhang, davor vier Stühle, im Publikum des Alten Theaters Ulm aber nur schwarz gekleidete Männer mit Kamera, Kopfhörer und Mundschutz. Theater ohne Publikum – darunter leiden Künstler wie Zuschauer derzeit. Und doch wirken die Teilnehmer der Konferenz, die jetzt die vier weit voneinander stehenden Stühle besetzen, recht vergnügt: Sven Wisser von der Jungen Bühne Ulm, Winfried Tobias als Sprecher des Arbeitskreises Junges Theater, Baden-Württemberg Kulturstaatssekretärin Petra Olschowski und die Ulmer Bürgermeisterin Iris Mann.

Das Land gibt 125 000 Euro für theater-stream.de

Sie kündigen am Freitagmittag ein bundesweit einmaliges Projekt vor, das die Solidarität unter den Theatern eindrucksvoll dokumentiert: die Internet-Plattform, die sich vor allem an Kindergärten und Schulen richtet: www.theater-stream.de.

Der Anstoß zum Projekt kam von der Jungen Bühne Ulm. Das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst unterstützt es mit 125 000 Euro. So sind ab jetzt 13 baden-württembergische Staats-, Stadttheater und freie Gruppen vereint, zumindest virtuell: sie bieten ab sofort Produktionen für Kinder und Jugendliche auf einer Internetplattform an.

Kulturelle Bildung weiter ermöglichen

So sehr man darunter leide, dass Livebesuche nicht möglich sind – befanden die Teilnehmer einmütig –, so wichtig sei es, dass die kulturelle Teilhabe und Bildung für Kinder und Jugendliche mit diesem Projekt weiter ermöglicht werde. „Kulturelle Bildung ist wichtig auch für die Wertevermittlung“, so Petra Olschowski, hier entwickle sich ein „ästhetisches Bewusstsein, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und einen anderen Blickwinkel als den eigenen einzunehmen – diese wichtige Erfahrung macht man im Theater.“

25 Theaterfilme – darunter Produktionen vom Jungen Ensemble Stuttgart, von den Landesbühnen Esslingen, Tübingen und Bruchsal – sind auf der Plattform bis zum Frühjahr 2021 zu sehen. Teilnehmer müssen sich anmelden, gegen eine Gebühr von fünf Euro pro Zuschauer wird dann zur gewünschter Zeit der Link bereitgestellt. Inszenierungen lehrplanrelevanter Dramen sind ebenso darunter wie zeitgenössischer Stücke. Außerdem gibt es interaktive Formate, kostenlose Nachgespräche mit den Darstellern zum Beispiel.

Auch nach Corona ist die Plattform wichtig

Auch nach Corona wolle man die Plattform erhalten. Denn, so Iris Mann, es sei oft mit einem hohen Aufwand verbunden, ins Theater zu gehen: „manche Lehrkraft bekommt nicht die Möglichkeit, mit den Schülern ins Theater zu gehen.“ Dass der jetzt so vermisste analoge Theaterbesuch dazu führen könne, noch einmal neu darüber nachzudenken, wie wichtig kulturelle Bildung gerade in Schulen sei, auch darauf sei zu hoffen. Sorge, dass das digitale Theater das analoge verdrängen werde, müsse keiner haben. Petra Olschowski: „Das Publikum kommt wieder, aber es wird eine neue Situation sein. Ich hoffe, dass wir die Kraft haben, das Publikum neu und anders zu gewinnen, Theater noch mal anders zu denken. Ich habe das Gefühl, wir sind auf Platten, die in Bewegung sind: Jetzt gibt es die Möglichkeit zu gestalten, ich wünsche ich uns allen in der Politik und in der Kultur eine gewisse Bewegung.“