Julian Reichelt ist seit Mitte Oktober nicht mehr „Bild“-Chefredakteur. (Archivbild) Foto: imago images/Jörg Schüler

Julian Reichelt hat in einem Interview mit „Zeit Online“ zum Rundumschlag ausgeholt. Der ehemalige Chefredakteur der „Bild“ bestreitet weiter die Vorwürfen des Machtmissbrauchs.

Berlin - . Der nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs gefeuerte „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt bestreitet, den Vorstand seines Arbeitgebers Axel Springer belogen zu haben. „Ich habe dem Vorstand nicht die Unwahrheit gesagt“, sagte Reichelt „Zeit online“ in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Nach 20 Jahren loyaler Arbeit sei er in 20 Minuten am Telefon „entsorgt“ worden.

Der Verlag Axel Springer hatte am 18. Oktober die Trennung von dem 41-Jährigen damit begründet, dass dieser nach Abschluss eines Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches weiterhin nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe. Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen Reichelt standen seit Anfang März im Raum. Damals hatte der „Spiegel“ berichtet, dass rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen dem Medienhaus Vorfälle aus den vergangenen Jahren angezeigt hätten.

Nichts zu verbergen

Reichelt sagte „Zeit Online“ in seinem ersten Interview nach dem Ende seiner Karriere bei „Bild“, er habe nichts zu verbergen. „Es hat in meinem Leben nie etwas gegeben, was mit den genannten Fällen auch nur im Ansatz zu tun hatte“, sagte er. Ihm sei nie eine Aussage präsentiert worden, in der ihm „Machtmissbrauch“ vorgeworfen wurde.

Reichelt lehnte es ab, in dem Interview über sein Privatleben zu sprechen, räumte aber eine Beziehung zu einer ehemaligen Mitarbeiterin ein: „Man hat mich unterm Strich wegen meiner Beziehung rausgeworfen. Dafür, dass ich einen Menschen liebe. So etwas sollte es nicht geben. Aber es ändert rein gar nichts an unserem Glück.“

Rundumschlag gegen Medien

Reichelt nannte die Berichterstattung anderer Medien über ihn „einen Vernichtungsfeldzug gegen einen Journalisten“. „Große Teile der Berliner Blase aus Politikern und Redakteuren haben sich von diesem Land unendlich weit entfernt, und ich war unter diesen Leuten schon immer verhasst“, sagte er. Als eine der treibenden Kräfte nannte Reichelt das Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Die ARD-„Tagesthemen“ hätten sich „für seinen öffentlich-rechtlich-kritischen Kurs gerächt und einen Aufmacher und auch noch einen Kommentar gefüllt mit Vorwürfen gegen mich, die so diffus erhoben wurden, dass man nicht mal genau erfuhr, was mir eigentlich vorgeworfen wird“.

Zu dem Vorwurf, er habe ein junge Kollegin, mit der er eine Affäre hatte, ohne ausreichende Qualifikation befördert, sagte Reichelt: „Ich habe immer bewusst überfordert.“ „Verantwortungsvolle Überforderung“ sei nichts Schlimmes. „Sie führt dazu, dass Menschen über das hinauswachsen, was sie sich selbst zutrauen“, sagte er.

Reichelt sagte, es sei schwieriger geworden, „klar Stellung gegen gewisse Stimmungen zu beziehen“. Aber er werde auf jeden Fall weiter als Journalist arbeiten. „Wenn es keinen passenden gibt, hat man in einem freien Land ja die Möglichkeit, sich diesen Job selber zu schaffen“, sagte er.