Joleen und Fynn lassen Ziegenbock Kalle aus ihren Händen fressen. Sina Ludwig passt auf, dass dabei alles gut geht. Foto: Simon Granville

Damit die Kinder den richtigen Umgang mit Schafen, Ziegen und sonstigen Bewohnern lernen, gibt es auf der Jugendfarm Kornwestheim einen Unterricht der besonderen Art. Wie kommt das beim Nachwuchs an?

Am liebsten würden Joleen und Fynn gleich zu Ziegenbock Kalle auf die Weide stürmen. Doch Sina Ludwig kann die beiden Achtjährigen stoppen, bevor sie das Gatter öffnen. „Ich möchte euch noch erklären, wie ihr euch verhalten müsst“, sagt die Studentin zu den Kindern. Der Chef auf der Weide der Jugendfarm in Kornwestheim kann nämlich recht ungehalten werden. Damit es nicht zu solchen oder ähnlichen Problemen kommt, machen einige Mädchen und Jungen momentan einen Tierführerschein.

Er ist ein freiwilliges und kostenloses Angebot, bei dem es darum geht, dass die Mädchen und Jungen den richtigen Umgang mit den tierischen Bewohnern lernen. Was dürfen sie fressen? Wie lassen sie sich anfassen? Was müssen die Kinder sonst beachten? Dabei handelt es sich um das Masterprojekt von Sina Ludwig und Selina Krämer. Die beiden jungen Frauen studieren an der Pädagogischen Hochschule und haben für ihre praktische Abschlussarbeit den Tierführerschein eigens für die Jugendfarm in Kornwestheim konzipiert. Zwei Tage à drei Stunden dauert der Unterricht. Beim ersten Termin ging es um Hund und Huhn.

Kaum noch Kontakt zu Tieren

Heute stehen Schafe, Ziegen und Kaninchen auf dem Plan. Sina Ludwig und Selina Krämer geben noch ein paar Hinweise an die Kinder. Mit einer Schüssel, gefüllt mit Karotten und Trockenfutter, betritt die kleine Gruppe schließlich das Gehege der Schafe und Ziegen. Auch Kalle kommt näher und lässt sich füttern. Ganz zahm gibt sich der Ziegenbock anfangs. Dann wird es dem Tier jedoch zu bunt. Erzieher Emil Junge schreitet ein. Er packt die bockige Ziege bei den Hörnern und schleift Kalle in den Stall, wo das Tier mit einem Meckern zu verstehen gibt, dass ihm die Aktion gar nicht behagt.

Beim Tierführerschein geht es darum, einen Grundstock an Wissen zu vermitteln. „Viele Kinder haben gefühlt keinen Kontakt mehr zu Tieren“, sagt Emil Junge. Auf der Kornwestheimer Jugendfarm leben zwei Hunde, eine Katze, zwei Schafe, zwei Ziegen und vier Kaninchen. Bald soll außerdem ein neuer, großer Stall für 15 Hühner gebaut werden. Damit die Mädchen und Jungen den Tieren nicht schaden oder diese den Kindern, sei es sinnvoll, ihnen das richtige Verhalten beizubringen. „Sonst geben sie einem der Hunde womöglich einen Schokoriegel zu fressen“, sagt der Erzieher.

Kontakt zu den beiden Frauen ist zufällig entstanden

Auch den Kaninchen der Jugendfarm stattet die kleine Gruppe noch einen Besuch ab. Mit einer weiteren Futtermischung geht es nach einer kurzen Einweisung zu den Tieren. Kaninchen Carmen stürzt sich mit schlackernden Ohren auf die Mahlzeit und macht sich über das Grün her. Dabei lässt sie sich durch die Streicheleinheiten der Kindern nicht vom Fressen abhalten.

Zum ersten Mal sind die beiden Studentinnen im vergangenen Jahr für den Tierführerschein zur Jugendfarm gekommen. 15 Kinder waren bei den ersten Terminen in den Sommerferien dabei. Der Kontakt hatte sich vorher zufällig ergeben, erklärt Anjana Naumann, die den Platz leitet. Die beiden Studentinnen hatten noch ein Thema für ihr Praxisprojekt gesucht, die Jugendfarm Experten auf dem Gebiet der Erlebnispädagogik. So ist die Idee entstanden.

Jetzt geht es in die Container der Jugendfarm. Die Kinder nehmen auf Stühlen Platz und sollen den Kontakt mit den Tieren reflektieren. „Wie habt ihr die Begegnung empfunden?“, fragt Selina Krämer in die Runde. Fynn zeigt sich begeistert. „Das war toll. Carmen war richtig zutraulich“, sagt er. Joleen ergänzt: „Ja, sie hat mir sogar die Pfote gegeben.“ Auch Kalles ruppige Art kommt in der Runde zur Sprache.

Fotos bringen die Kinder zum Kichern

Damit die Grundschüler auf unterhaltsame Weise lernen, haben die Studentinnen zwei Videos mitgebracht. „14 Fakten über Ziegen“ lautet der Titel des ersten Films. Als unterschiedliche Fotos der Tiere auf dem Bildschirm auftauchen und dabei die Namen der Rassen genannt werden, kichern die Kinder leise. Dann geht es weiter mit „17 Fakten über Schafe“.

Ein laminiertes Papier im Scheckkartenformat bestätigt die erfolgreiche Teilnahme. Ein Anreiz für die Kinder, beim theoretischen Unterricht aufzupassen und und sich beim mündlichen Abschlussquiz einzubringen. Gefragt wird mal nach richtig oder falsch, mal müssen die Mädchen und Jungen zwischen drei Antwortoptionen wählen.

Weitere Termine sind geplant

Nach den zwei Videos stellt sich heraus, wie gut die Kinder zugehört haben. Bei der Frage, was es mit dem Kinnbart auf sich hat, recken sich mehrere Hände in die Höhe. Dann will Selina Krämer wissen, aus welchem Grund Ziegen meckern. Diesmal brauchen die Kinder ein bisschen Hilfe, kommen aber schließlich doch auf die richtige Antwort: um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. „Deshalb hat Kalle gemeckert, als er weggesperrt wurde“, sagt Krämer.

Der Tierführerschein ist zum Erfolgsprojekt geworden. Schon jetzt sind weitere solcher Termine geplant. Bald wird dafür die Anmeldung beginnen. Auch eine Aktion in den Ferien wird es vielleicht wieder geben. Ziel ist es, dass alle Kinder, die sich regelmäßig auf der Jugendfarm aufhalten, einmal den Unterricht durchlaufen können, erklärt Emil Junge.

Die Natur erleben

Jugendfarm
 Seit September des Jahres 1999 gibt es eine Jugendfarm im Moldengraben in Kornwestheim. Ein Verein dafür war bereits fünf Jahre vorher gegründet worden. Die Jugendfarm soll Natur erlebbar machen und Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 15 Jahren bieten. Ein Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen kümmert sich um den Platz, die Kinder und die Tiere.

Öffnungszeiten
 Die Jugendfarm ist regulär von mittwochs bis freitags in den Nachmittagsstunden geöffnet. In den Ferien sind Kinder dort auch montags und dienstags willkommen. Zudem wird eine spezielle Ferienbetreuung angeboten. In den Ferien ist außerdem eine kostenpflichtige Frühbetreuung nach Anmeldung möglich.