Tilman Kuban, der scheidende Chef der Jungen Union, war nie um ein lautes Wort verlegen. Foto: dpa/Felix Kästle

Stabwechsel auf dem Deutschland-Tag der Jungen Union. Tilman Kuban tritt nicht mehr als Vorsitzender an.

„Go home“. Nur diese beiden Worte stehen auf dem einfachen Schild, das der junge Mann im Februar diesen Jahres vor der russischen Botschaft in Berlin hochhält. Zwei Tage später beginnt der Angriff auf die Ukraine. Er wollte ein „Zeichen setzen“, sagt er später zu dieser Aktion. Der Mann, der da auf stille, aber eindringliche Weise protestierte, ist Johannes Winkel. Eine Name, den man sich merken muss. Der 30-jährige wurde am Freitagabend auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) zum neuen Vorsitzenden der CDU-Jugendorganisation gewählt. Der bisherige Amtsinhaber Tilman Kuban muss das Amt aus Altersgründen aufgeben.

Der Unterschied im Stil könnte nicht deutlicher sein

Der Wechsel bedeutet in mehrfacher Hinsicht einen Einschnitt. Der Unterschied im Stil zwischen Kuban und Winkel könnte nicht deutlicher sein. Kuban war kein Meister des Kammertons. Als er sich 2019 in einer Kampfkandidatur durchsetzte, hielt er eine daueraufgeregte Rede, die mehr gegrölt als gesprochen wurde. Kuban blieb in seiner Zeit als Vorsitzender ein JU-Chef, der jederzeit den Säbel dem Florett vorzieht. Winkel dagegen spricht ruhig und sachlich, argumentiert und wirkt bei seinen Reden ziemlich entspannt.

Dieser Unterschied im Stil ist keine unbedeutende Nebensache. Es muss etwas geschehen in der JU. Die mit 92 000 Mitglieder größte Jugendorganisation einer Partei in Europa hat Probleme. Bei der Bundestagswahl 2021 landete die Union bei den Wählern zwischen 18 und 24 Jahren hinter FDP, Grünen und der SPD nur noch auf dem vierten Platz. In der Parteispitze zeigte man daraufhin ziemlich unverblümt auf die JU. Die habe nicht funktioniert als Transmissionsriemen hin zu den jungen Wählern.

Entfremdung zwischen CDU und Junger Union

Die Entfremdung beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Kuban zählt gerne auf, wie die Partei junge Milieus verprellt hat: Bei der hitzigen Diskussion um Upload-Filter habe sich die CDU für das Instrument ausgesprochen, das viele junge Menschen als Mittel der Zensur empfanden. In der Pandemie habe sich die Partei zu wenig um Studierende gekümmert. Und nun mache sie sich für ein verpflichtendes Dienstjahr stark, was einen massiven Eingriff in die Lebensplanung der jungen Generation bedeute.

Aus der Parteiführung wird mindestens hinter vorgehaltener Hand entgegengehalten, dass die JU ein ganz und gar altbackenes, geradezu männerbündlerisches Image habe. Tatsächlich sind immer noch rund zwei Drittel der Mitglieder männlich. Allerdings hat Kuban durchaus Veränderungen bewirkt. Der Frauenanteil im JU-Bundesvorstand der Partei stieg in seiner Amtszeit von 23 auf rund 40 Prozent. Im Bundesvorstand der CDU sitzen inzwischen acht Mitglieder der JU – sechs davon Frauen.

Der Neue hat gute Drähte zu den Machtzentren der Partei

Johannes Winkel hat sich vorgenommen, die JU auch inhaltlich neu aufzustellen. Klima und Demografie – darauf soll nun der Fokus liegen. Die Voraussetzungen sind ziemlich gut, dass er seine Ziele auch durchsetzen kann. Er hat – wichtig im parteiinternen Machtgefüge – gute Beziehungen zu zwei Machtzentren der Partei. Der aus dem Siegerland stammende Jurist wird von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kräftig gefördert. Wüst hält den erst mit 19 Jahren in die JU eingetretenen Winkel „für ein großes Talent, weil er reifer ist als ich damals, als ich mit 25 zum JU-Landesvorsitzenden gewählt wurde“.

Und Winkel ist auch auf dem Radar des Parteivorsitzenden Friedrich Merz, der genau wie Winkel aus Südwestfalen kommt und dessen Aufstieg aus nächster Nähe verfolgt hat. Diese frühe Nähe ist für beide Seiten nützlich. Die Junge Union unterstützte stets die Rückkehr von Merz und warb für ihn als CDU-Vorsitzenden. Zuletzt hatte es aber Irritationen gegeben, weil Merz die – ziemlich abgeschwächte – Frauenquote in der Partei durchwinkte. Unter Winkels Führung dürfte sich das Verhältnis wieder schlagartig verbessern.