Wiedersehen vor Gericht: Die früheren Ehepartner Amber Heard und Johnny Depp. Foto: dpa/Jim Lo Scalzo

Erschütternde Szenen einer dysfunktionalen Ehe: Amber Heard und Johnny Depp werfen sich gegenseitig Verleumdung vor. Ein Prozess in den USA fördert verstörende Seiten einer zutiefst zerrütteten Beziehung zu Tage.

 Verheiratet waren sie nur 15 Monate, ihr Rechtsstreit zieht sich jetzt schon über Jahre: Der Schauspielstar Johnny Depp und seine Ex-Frau Amber Heard streiten um die Deutungshoheit über ihre Kurzzeit-Ehe. War er gewalttätig – mit Worten und Taten? Oder war vielmehr sie es, die gegen ihn die Hand erhob? Für beide geht es um alles: Ihren Ruf und ihre berufliche Zukunft in Hollywood.

Worum sich der Prozess dreht

Es ist das, was man im Englischen eine typische „He Said, She Said“-Konstellation nennt. Verhandelt wird im US-amerikanischen Fairfax ein Verleumdungsprozess: Amber Heard hatte im Jahr 2018 in der „Washington Post“ einen Artikel veröffentlicht, in dem sie über häusliche Gewalt schrieb. Sie nannte ihren Ex-Mann zwar nicht beim Namen, aber wer den Beitrag las, ging davon aus, dass sie sich auf Depp bezog, den Star vieler Filme von „Edward mit den Scherenhänden“ über die „Fluch der Karibik“-Saga bis zu „Fantastische Tierwesen“.

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Der Hollywood-Superstar verklagt Heard deshalb wegen Verleumdung. „Über fast 30 Jahre hat sich Herr Depp den Ruf als einer der talentiertesten Schauspieler in Hollywood aufgebaut“, sagte Depps Anwalt zum Prozessauftakt. „Heute wird dieser Name mit einer Lüge, einer Falschaussage seiner früheren Ehefrau in Verbindung gebracht.“

Amber Heards Anwälte argumentieren, es sei vielmehr sie, deren Glaubwürdigkeit durch den Dreck gezogen werde. Im Prozess in Fairfax werde man beweisen, dass die 36-jährige Schauspielerin tatsächlich von Depp geschlagen und misshandelt wurde. „Hinter den roten Teppichen, hinter dem Ruhm, hinter dem Geld, hinter den Piraten-Kostümen werden Sie sehen, wer dieser Mann wirklich ist.“

Außer um Heards und Depps guten Ruf geht es auch um viel Geld: Er hat sie auf 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt, sie ihn auf 100 Millionen.

2020 war die Ehe des Paares schon einmal Gegenstand einer Gerichtsverhandlung: Damals hatte Depp den Verlag der britischen „Sun“ wegen eines Artikels verklagt, in dem es hieß, Depp habe Heard misshandelt. Der „Fluch der Karibik“-Star scheiterte schließlich mit seiner Klage.

Die fatale Kurzzeitehe von Johnny Depp und Amber Heard

Der Prozess in Fairfax zeichnet das Bild einer zutiefst dysfunktionalen und zerstörerischen Ehe. Johnny Depp und die 22 Jahre jüngere Amber Heard hatten sich 2011 bei den Dreharbeiten zu „The Rum Diary“ kennengelernt. Johnny Depp hatte mehrere Beziehungen hinter sich – unter anderem zu so bekannten Frauen wie Winona Ryder, Kate Moss oder Vanessa Paradis. Amber Heard, die offen bisexuell lebt, war mit der Fotografin Tasya van Ree liiert. Das Brisante: Auch in dieser Beziehung soll es Probleme mit Gewalt gegeben haben, die Vorwürfe gegen Heard wurden aber schließlich fallengelassen.

2014 verlobten sich Depp und Heard, 2015 wurde geheiratet. Nur ein Jahr später reichte sie die Scheidung ein – insgesamt dauerte die Ehe 15 Monate. Heard führte als Grund für die Scheidung „unüberbrückbare Differenzen“ an.

Was beide Seiten ins Feld führen

Es ist nicht schön anzusehen, wie die Lager Heard und Depp sich im Gerichtssaal schockierende Vorwürfe um die Ohren hauen. US-Fernsehsender zeigen in Livestreams, wie die schlimmsten Szenen einer offenbar zutiefst zerrütteten Ehe hervorgezerrt werden – abgetrennte Fingerkuppen werden da besprochen oder wer wen mit Wodkaflaschen beworfen hat. Es ist ein trauriges Spektakel, bei dem man gerne wegsehen würde, aber einfach nicht kann.

„Halt die Klappe, Fettarsch“, hört man Depp in Tonaufnahmen zu Heard sagen. Eine Zeugin beschreibt einen Streit zwischen den Ehepartnern: Heard soll Depp einen „abgehalfterten Schauspieler“ und „fetten alten Mann“ genannt haben. Der Anwalt der Schauspielerin liest eine Kurznachricht vor, die Johnny Depp 2013 schrieb: „Lass uns sie ertränken, bevor wir sie verbrennen!“ Schockiertes Schweigen im Gerichtssaal. Depp erklärt, er habe das nicht ernst gemeint: „Das ist einfach respektloser und abstrakter Humor.“

„Ich dachte, du bringst mich aus Versehen um“, schluchzt Heard in einer anderen Aufnahme, die ihre Anwälte im Gerichtssaal abspielten. „Ich habe einen verdammten Finger verloren“, antwortet darauf Depp. „Ich habe eine Flasche ins Gesicht gekriegt.“ Heard kämpft im Gerichtssaal mit den Tränen, als die Aufnahmen vorgespielt werden.

Johnny Depps Anwälte versuchen, Amber Heard als Frau mit schweren psychischen Problemen darzustellen. Eine von Depps Lager engagierte Rechtspsychologin diagnostizierte bei Heard eine Borderline-Störung. Die 36-Jährige neige zu emotionaler Instabilität und plötzlichen Wutausbrüchen. Depp sagt im Zeugenstand, seine Ex-Frau habe ein „Bedürfnis nach Gewalt. Es bricht aus dem Nichts hervor“.

Eine heimlich aufgenommene Videoaufnahme zeigt indes, wie sich Depp schon morgens einen großen Humpen Wein einschenkt, wie er wütend Küchenschränke zu donnert. Sein jahrelanger Alkohol- und Drogenmissbrauch habe ihm zwar schwer geschadet, sagt der Schauspieler bei seiner Aussage vor Gericht – gewalttätig sei er aber während seiner Räusche nicht geworden.„Die einzige Person, die ich in meinem Leben misshandelt habe, bin ich selbst.“

Amber Heard hat in dem Prozess bislang noch nicht ausgesagt. Vier weitere Prozesswochen sind angesetzt. Unter anderem sind auch der Schauspieler James Franco und Tesla-Gründer Elon Musk vorgeladen. Der Multimilliardär hatte nach Heards Scheidung eine Beziehung mit der Schauspielerin.

Was für die beiden auf dem Spiel steht

Für beide geht es in dem Prozess um viel. Nicht nur ihr Ruf steht auf dem Spiel, sondern auch ihre Karrieren. Seine Rolle als Gellert Grindelwald in der Filmserie „Fantastische Tierwesen“ musste Depp 2020 auf Druck des Produktionsstudios abgeben. Und auch Heards Karriere hat der Skandal geschadet. Die Schauspielerin, bekannt aus Filmen wie „The Danish Girl“ oder „Aquaman“, wirft ihrem Ex-Mann vor, er habe sie in Hollywood zur „Persona non grata“ gemacht.