Die Mitarbeiter der Rettungsdienste sehen sich in der Coronakrise besonderen Gefahren ausgesetzt. Eine Sonderzahlung soll es für sie bisher aber nicht geben. Foto: dpa/Alexander Wölfl

Gesundheitsminister Jens Spahn lehnt die DRK-Forderung nach einer staatlichen Corona-Prämie für Rettungsdienstmitarbeiter ab. Damit entfacht er eine Diskussion, die für das Rote Kreuz kritisch werden könnte.

Berlin/Stuttgart - Mitte Juni flatterte Gerda Hasselfeldt ein Schreiben auf den Tisch, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Einige Wochen zuvor hatte sich die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt. Ihr Anliegen: Der Bund möge eine Sonderprämie für die Mitarbeiter des Rettungsdienstes bezahlen. Für ihren Einsatz in der Coronakrise. Und jetzt hielt sie die Antwort in Händen.

Er schätze das große Engagement, schreibt Spahn der „lieben Gerda“, aber das Einsatzaufkommen habe sich während der Pandemie „teilweise sogar verringert“. Schlicht, weil vieles geschlossen war und die Leute zu Hause geblieben sind. Er bitte deshalb um Verständnis, „dass ich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beabsichtige, mich für Sonderleistungen für die Beschäftigten des Rettungsdienstes auszusprechen“. Die Träger vor Ort könnten aber „jederzeit individuell Prämien leisten“.

Gerade Spahns letzte Anmerkung birgt für die Rettungsdienstorganisationen reichlich Zündstoff. Denn tatsächlich darf man den Vorstoß der DRK-Präsidentin, früher selbst einmal Bundesgesundheitsministerin, nicht nur als uneigennützige Tat verstehen. Die Frage ist schlicht: Wenn sich die bundesweit 67 000 Beschäftigten im Rettungsdienst eine Prämie verdient haben, wer soll sie bezahlen? Hätte der Bund Bereitschaft signalisiert, wären die Arbeitgeber erst einmal aus der Verantwortung entlassen gewesen. Doch das ist jetzt nicht der Fall – und lässt neue Konflikte erwarten. Gerade beim Roten Kreuz, dem mit Abstand größten Akteur.

Verdi droht mit Tarifkampf

Die Gewerkschaft Verdi hat das DRK aufgefordert, drei Mal 500 Euro Prämie für jeden DRK-Mitarbeiter zu zahlen – nicht nur im Rettungsdienst. Das soll auch exemplarisch für alle anderen Hilfsorganisationen stehen. Doch gegenüber dem DRK ist der Druck am größten, denn die Forderung könnte Bestandteil der demnächst beginnenden Tarifauseinandersetzung werden. Verdi droht bereits offen mit diesem Schritt.

Die Gewerkschaft fordert schon seit Ende März, dass alle Arbeitgeber den Angestellten in den besonders belasteten Berufen eine Corona-Prämie zahlen. Die Tarifverhandlungen darüber in der Altenpflege sind schließlich in eine gesetzliche Regelung gemündet, nach der bundesweit Beschäftigte in der stationären und ambulanten Altenpflege Extra-Zahlungen bekommen. „Der Rettungsdienst allerdings profitiert davon nicht. Der ist nur in Bayern in einer Landesregelung enthalten“, sagt Gewerkschaftssekretärin Marion Leonhardt. Darüber hinaus hätten einige Arbeitgeber freiwillig etwas getan: „Das können sie unabhängig vom Tarifvertrag machen.“

Die Gewerkschaftssekretärin betont, dass zurückgegangene Einsatzzahlen kein Argument für eine Nichtbeachtung der Retter sein dürfen: „Die Belastungen sind trotzdem körperlich und psychisch gestiegen. Die Kollegen machen eine harte und gefährliche Arbeit an vorderster Front.“ Sie wüssten nie, ob und wann sie mit dem Virus in Kontakt kämen, zumal manche Patienten eine mögliche Infektion aus Scham oder der Furcht vor Nachteilen verschweigen. Und der Einsatz in kompletter Schutzausrüstung sei schwierig. Zudem hätten viele Rettungsdienstmitarbeiter in Quarantäne gehen müssen,was die Belastung der Kollegen erhöhe. Ob Staat oder Arbeitgeber die Prämie bezahlt, ist für Verdi letztlich zweitrangig: „Wir sehen Unternehmen, Politik und Kassen in der Verantwortung. Klatschen auf den Balkonen reicht eben nicht“, sagt Marion Leonhardt.

DRK sieht keine Möglichkeit, selbst zu zahlen

Beim DRK fallen die Reaktionen auf die Debatte zurückhaltend aus. Den „persönlichen Briefwechsel“ zwischen Spahn und Hasselfeldt wolle man nicht in der Öffentlichkeit kommentieren, heißt es im DRK-Generalsekretariat in Berlin. Was den Konflikt mit Verdi betreffe, wolle man „den Tarifgesprächen nicht vorgreifen“.

Konkreter wird man beim Landesverband Baden-Württemberg. „Eine Sonderprämie wäre für die Kolleginnen und Kollegen des Rettungsdienstes sicherlich eine ganz besondere Form der Anerkennung. Dafür haben wir uns auf verschiedenen Ebenen auch eingesetzt“, sagt Sprecher Udo Bangerter. Rückgänge bei den Einsatzzahlen habe es regional sehr unterschiedlich gegeben. Die psychische und körperliche Belastung für die Mitarbeiter seien aber enorm. Selbst Sonderzahlungen zu leisten, sei schwierig: Sie seien in den Kostenvereinbarungen mit den Krankenkassen nicht vorgesehen. Und aus Eigenmitteln, so klingt durch, ließe sich eine solche Prämie kaum finanzieren.

Die Retter müssen also weiter warten.