In Erklärungsnot: der Tübinger Islam-Professor Abdelmalek Hibaoui. Foto: picture alliance / dpa/Sebastian Gollnow

Tübinger Islamtheologe Abdelmalek Hibaoui nimmt an einer umstrittenen Anti-Israel-Konferenz teil. Ein Ausrutscher? Daran gibt es große Zweifel.

Tübingen - Abdelmalek Hibaoui unterrichtet an der Universität Tübingen angehende muslimische Seelsorger in islamischer praktischer Theologie. Der Professor am Islamzentrum sorgte jetzt mit seiner Teilnahme an der Israel-feindlichen Konferenz „Die Zukunft der islamischen Welt und Palästina“ in Ankara für Empörung. Der Veranstalter: Das Zentrum für Studien der Islamischen Union (Isbam) der türkisch-islamistischen Saadet-Partei, die zur Milli-Görüs-Bewegung gehört und von Baden-Württembergs Verfassungsschutz beobachtet wird.

Gleich mehrere Redner riefen zum Boykott Israels auf. Hasan Bitmez, Vizepräsident der Saadet-Partei, die auch im Südwesten rege ist, sagte zu Israel: „Keine Vereinbarung mit den Tyrannen, die dieses gesegnete Land besetzen, ist gültig.“ Ein weiterer Redner: „Israel muss aufgelöst und zerstört werden.“ Der Tübinger Professor veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite Postings von der Konferenz: „Fotos meiner Teilnahme, zusammen mit dem großen ägyptischen Denker Kamal Helbawy an einer der Sitzungen, in denen das Thema ,Probleme und Lösungen der islamischen Welt‘ erörtert wurde und die der frühere iranische Außenminister Manoucher Mottaki leitete“, schrieb Hibaoui.

„Intolerabler“ Auftritt in Ankara

Helbawy war Sprecher der Muslimbrüder in Ägypten (1995-97). Mottaki eröffnete 2006 eine Konferenz der Holocaustleugner. Hibaoui, Mitglied im Gelehrtenrat des Zentralrats der Muslime (ZMD), der von den Muslimbrüdern dominiert wird, sprach über die Bedeutung von Bildung beim Aufbau einer islamischen Gesellschaft. „Wir müssen in die Ausbildung von Menschen investieren, die sich selbst aufbauen und erneuern können“, sagte er laut türkischen Medien.

„Die Welt“ hatte über Hibaouis Teilnahme an dem Treffen zuerst berichtet. Hibaoui ließ über die Universität ausrichten, über die Veranstalter habe er nichts gewusst. Seine Teilnahme sei „intolerabel“, so eine Sprecherin Universität. Hibaoui sagte: „Meine ganze Rede bei der Konferenz ist eine Absage an Antisemitismus und Islamismus.“ Er bestreitet jede Nähe zur Bruderschaft.

Seit Jahren im Geflecht der Muslimbrüder

„Hibaoui war über Jahre hinweg immer wieder Referent an Einrichtungen, die dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zuzuordnen sind“, sagt die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall. Sie bezweifelt, dass Hibaoui unbedarft auf der Konferenz in Ankara gelandet ist. Nach Recherchen unserer Zeitung verfügt er über gewachsene Beziehungen zu Muslimbrüdern. So fungierte er von 2015 bis 2018 auch als Imam an der Internationalen Islamischen Gemeinschaft (IIG) in Reutlingen. In dieser Zeit tritt ein gewisser Taha Sulaiman Amer zwei Mal als Referent für deren Moschee in Erscheinung. Der Mann ist leitender Funktionär beim Rat der Imame und Gelehrten in Deutschland (RIGD) und beim Ableger des Europäischen Instituts für Humanwissenschaften (EIHW) in Frankfurt, Organisationen aus dem MB-Netzwerk.

Die Beziehungen seiner Moschee zu einer Moschee der Muslimbrüder in Lausanne sind so gut, dass die Reutlinger im Januar 2016 nach einem Besuch per Facebook eine Spende in Höhe von 7000 Euro für den Gebäudekauf verkünden. Die Schweizer erhielten laut „Qatar Papers“ der Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot umgerechnet 1,5 Millionen Euro der Qatar Charity, einer Stiftung aus Katar – Zentrum und Hauptfinanzier der Muslimbruderschaft – für Missionsarbeit in Europa.

Laut Uni habe Hibaoui als ehrenamtlicher Imam nichts von MB-nahen Referenten und Spenden gewusst. Unsere Zeitung hatte zuvor berichtet, dass zwei andere Professoren zu Personen und Institutionen aus dem Dunstkreis der Bruderschaft pflegen. Uni und Dozenten bestreiten die Kontakte.