Bereit für drei weitere Amtsjahre: Michael Spörer. Foto: /Benjamin Schieler

„Stuttgarts Fußballchef“ Michael Spörer spricht auch über die Chancen für eine Fortsetzung der Saison und mögliche Veränderungen für die nächste.

Bad Cannstatt - Seit Samstag ist es fix: Michael Spörer geht in drei weitere Amtsjahre als Chef des Fußballbezirks Stuttgart. Auf dem coronabedingt erstmals online abgehaltenen Bezirkstag wurde der 64-Jährige wie erwartet mit großer Mehrheit auf dem Posten bestätigt, den er im Januar 2020 übernommen hat. Wie lange er nun noch eher als Pandemiemanager denn als sportlicher Macher gefordert sein wird, muss sich zeigen. Um den Fußball gibt es jedenfalls gerade viele Fragen – nicht nur wegen der Viruskrise. Alles in allem Anlass genug für ein Gespräch mit dem gebürtigen Bad Cannstatter, der auch beruflich eine verantwortungsvolle Rolle bekleidet. Spörer ist Betriebsratsvorsitzender bei der Deutschen Bahn.

Herr Spörer, Glückwunsch. Seit Samstag gibt es erwiesenermaßen etwas, das der Fußballbezirk Stuttgart eindeutig besser kann als der VfB.

(lacht) Ach ja? Was kann er besser?

Es war der erste Online-Bezirkstag innerhalb des Württembergischen Fußball-Verbands, inklusive digitaler Abstimmungen und Wahlen – und alles hat funktioniert. Da hat man andernorts andere Erfahrungen gemacht. . .

Bis auf ein paar kleinere Dinge war das in der Tat toll. Das war gelungen und hat Maßstäbe für alle anderen Bezirke gesetzt. Und dass zudem noch die beiden Präsidenten des VfB Stuttgart und der Stuttgarter Kickers als Gastredner da waren, Claus Vogt und Rainer Lorz, hat dann für sich gesprochen, denke ich.

14 Monate sind Sie bereits im Amt. Gab es Momente, in denen Sie ins Grübeln gekommen sind, ob Sie weiter kandidieren sollen?

Eigentlich nicht. Wir hatten einen guten Austausch mit den Vereinen, und da war auch kaum Konfliktpotenzial. Und unser Bezirksteam hat sich wunderbar gebildet.

Wie wichtig war es Ihnen, dass eben dieses Team komplett weitermacht?

Mir war es wichtig, dass sich dieses Team findet.

Was dann auch eine Frage des Führungsstils ist?

Ich führe so, dass jeder seine Freiheiten hat. Du musst den Leuten Verantwortung geben. Wenn du das nicht tust, dann treffen sie auch keine Entscheidungen.

Oder verlieren die Lust, wie unter Ihrem Vorgänger Mario Krkac.

Eine Tätigkeit im Ehrenamt muss Spaß machen. Wenn das Gegenteil der Fall ist, kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem es nicht mehr geht. Und dann kann man selber nicht nur große Klappe haben, sondern muss auch in die Verantwortung gehen. Und das habe ich ja schließlich auch gemacht.

Aktuell beschäftigt bei den Vereinen nun vor allem eine Frage: Wird in dieser Saison noch einmal gespielt? Für wie hoch halten Sie die Wahrscheinlichkeit?

Nicht mehr arg wahrscheinlich. Ich glaube kaum, dass im Moment jemand noch ernsthaft daran denkt, dass wir am 9. Mai wieder im Spielbetrieb sind.

Eben der 9. Mai ist der laut Verband letztmögliche Zeitpunkt für einen Wiederbeginn, was mit einem Zurück ins Mannschaftstraining spätestens am 19. April verknüpft ist. Die Politik hat am vergangenen Montag einen erneuten mehrwöchigen harten Lockdown beschließen, der bis 18. April andauern soll. Ist die Wiederaufnahme des Spielbetriebs nun überhaupt noch realistisch?

Ich glaube nicht, dass es noch klappt. Allerdings bin ich auch im vergangenen Jahr mit meiner Vermutung falsch gelegen, und wir haben dann doch noch einmal gekickt. Die Politik trifft sich wohl am 12. April wieder. Sollte dann der Lockdown am 18. April für beendet erklärt werden, wäre rein theoretisch die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs am 19. April und ein Restart am 9. Mai noch möglich.

Andere Landesverbände, Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, haben ihre Saison bereits abgebrochen. Verständlich?

Das kann jeder Verband so machen, wie er will. Das hätten wir natürlich auch tun können, haben uns aber anders entschieden. Und diese Beschlusslage steht.

Wie hart träfe ein erneuter Abbruch?

Prinzipiell ist jeder Saisonabbruch. . . – das Wort, das mir dazu einfällt, sollte man nicht sagen. Also sage ich: unglücklich. Alles, was nicht sportlich ausgetragen werden kann, ist natürlich die schlechteste Lösung. Aber wenn die Umstände entsprechend sind, was will man dann tun?

Bei den Vereinen wächst die Furcht vor Folgen vor allem im Nachwuchsbereich. Dass manche Kicker gar nicht wieder einsteigen, weil sie inzwischen festgestellt haben, dass es auch ohne geht. . .

Diese Gefahr besteht natürlich, nicht nur in der Jugend. Das fängt schon bei den Aktiven an, wo auch manch einer Angst hat, dass ihm die Spieler davonlaufen. Oder ihre Karriere früher beenden als ursprünglich mal gedacht.

Bei allen berechtigten Sorgen ist es freilich auch so, dass andere im wahren Wortsinn ums Überleben oder um die berufliche Existenz kämpfen. Nimmt sich der Sport zu wichtig?

Da muss ich aufpassen, was ich sage. . . Ich sage es mal so: Bei uns im Fußball wurden in einzelnen Fällen Hygienekonzepte auch nicht so toll eingehalten, um Lockerungen zu kriegen. Das war nicht überall gut. Andererseits hat der Sport wichtige gesellschaftliche Aufgaben, der Amateursport noch mehr als der Profisport. Da geht es auch um gesundheitliche Aufgaben. Das kann man nicht vernachlässigen.

Das heißt?

Es ist immer eine Frage der Abwägung. Ist die Gefahr zu groß? Und wie groß ist demgegenüber der Schaden in der Gesellschaft, wenn Du keinen Amateursport hast? Aber wer soll das entscheiden und sicher wissen? Wer nichts mit Fußball am Hut hat, der sagt jetzt natürlich: die haben einen an der Waffel. Müssen die jetzt wegen Geld kicken, oder was? Die Vereine haben aber Riesensorgen – auch weil jetzt zum Beispiel Mitglieder kommen und sagen: keinen Bock mehr, 80 Euro Jahresbeitrag zu zahlen.

Unabhängig von Corona, welche Aufgabenschwerpunkte sehen Sie für die nächsten drei Amtsjahre?

Da ist erstens das Thema Gewaltprävention. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Ein Dauerbrenner. Wenn man da nichts tut, ist man selber mit schuld an bestimmten Dingen.

Der Bezirk hat ja hierzu schon unter ihrem Vorvorgänger Harald Müller und mit Ihnen als damaligem Sportgerichtschef einiges in die Wege geleitet. Was schwebt Ihnen darüber hinaus vor?

Wir werden Gefährdungsspiele herausfiltern und Beobachter vom Bezirk hinschicken. Oder in solchen Fällen Platzaufsicht anordnen. Wir wollen kein Überwachungsstaat werden. Aber ich denke, es ist wirksam, wenn man da präventiv arbeitet.

Und das andere wichtige Thema?

Wir werden uns als Nächstes überlegen müssen, wie wir die nächste Saison spielen. Wir sind vom Verband aufgefordert worden, uns Gedanken zu machen. Und das werden wir in Abstimmung mit den Vereinen tun. Wir werden sie fragen, wie sie es gerne hätten, wenn vom Verband der neue Rahmenterminkalender da ist.

Denkbar ist ein diesmal von vornherein veränderter Spielmodus?

Nur eine Hinrunde, dann Play-Offs, also eine Unterteilung in Aufstiegs- und Abstiegsrunde, so wie in der aktuellen Saison zwischenzeitlich schon einmal geplant, das wäre sicher vorstellbar. Damit würde man eine gewisse Anzahl an Spielen einsparen und sich mehr Luft verschaffen. Für die Kreisliga B ist das natürlich nicht relevant, für die Kreisliga A und die Bezirksliga aber schon.

Als vorübergehendes Krisenkonstrukt in Coronazeit? Oder überhaupt?

Ich könnte mir das jetzt mal als Projekt vorstellen, dass man sagt: lass uns das mal eine Saison durchspielen – macht uns das Spaß? Und falls ja, warum dann im Bezirk Stuttgart nicht auch zukünftig so?

Was ist für die Pokalrunde dieser Saison angedacht? Vergangene Saison wurde diese ja ausgeklammert und trotz Abbruch dann noch zu Ende gespielt.

Den Pokal sehe ich erneut ausgeklammert. Aber da muss man jetzt ebenfalls abwarten. Auch da würde ich sagen: man geht in die Kommunikation mit den noch vertretenen Vereinen.

Bei der aktuellen Wahl haben Sie 164 Ja- und nur sechs Nein-Stimmen erhalten. Sind Sie damit zufrieden?

(lacht) Wenn man bei Sportplätzen-Besuchen mal was gesehen hat, das nicht so passt, dann hat man halt schon mal ein Schreiben aufgesetzt – und dann kriegt man halt auch mal ein paar Gegenstimmen. Aber das ist besser als ein diktatorisches Ergebnis (lacht).

Was hat Sie am Samstag schließlich emotional mehr beschäftigt? Der Bezirkstag – oder der Auftritt des größten und prominentesten Vereins aus Ihrem Bezirk? Der VfB hat bei den Bayern mit 0:4 verloren. . .

Ich bin ja Kickers-Mitglied. . .

Jetzt müssen Sie vermutlich erneut aufpassen, was Sie weiter sagen. . .

(lacht) Ehrlich: Ich gehe gerne zu beiden Vereinen! Ich gehöre nicht zu denen, die nicht über die Neckarbrücke laufen wollen. Natürlich halte ich auch zum VfB Stuttgart.

Erst recht, nachdem sich dessen Präsident Claus Vogt wie erwähnt bereit erklärt hat, kurz vor seinem München-Trip noch als Gastredner aufzutreten? Wie kam diese Überraschung eigentlich zustande?

Ich habe einfach mal angefragt! In der Vergangenheit hatten wir öfter den Eindruck, dass man beim VfB ein bisschen vergessen hat, dass man zum Bezirk Stuttgart gehört. Insofern hat Claus Vogt ein Zeichen gesetzt. Ein total bodenständiger Auftritt von ihm – toll!

Das Gespräch führte Franz Stettmer.