„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg beteuert, keine Gewalt- oder Mobbingaufrufe bei Facebook geteilt zu haben – und hat den Konzern abgemahnt. Foto: dpa/Christoph Schmidt

150 Facebook- und Instagram-Konten und Seiten hat der US-Konzern am Donnerstagabend gelöscht. Die umstrittene „Querdenker“-Bewegung kündigt an, dagegen vorzugehen – und bittet um Geld.

Stuttgart - Die umstrittene „Querdenken“-Bewegung hat „empört“ auf die Löschaktion von Facebook reagiert. Auf ihrem Telegram-Kanal kündigte die Bewegung zunächst an, „selbstverständlich rechtlich agegen vorgehen“ zu wollen – und warb dafür um finanzielle Unterstützung. Später hieß es in einer Mitteilung, man habe eine Abmahnung an Facebook Ireland Limited versendet. Sollte diese nicht erfolgreich sein, werde eine Klage erfolgen, sagte Michael Ballweg, Kopf der Stuttgarter Bewegung.

Der US-Konzern hatte am Donnerstagabend bis zu 150 Gruppen und Konten auf Facebook und Instagram gelöscht, die den sogenannten „Querdenkern“ zugerechnet werden. Betroffen sind auch Kanäle von „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg. Es sei weltweit die erste gezielte Aktion, die sich gegen eine Gruppierung richte, die eine „koordinierte Schädigung der Gesellschaft“ (Coordinated Social Harm) hervorrufe, hatte Facebook-Sicherheitsmanager Nathaniel Gleicher erklärt. Es sei wiederholt gegen Facebook-Standards verstoßen worden, etwa durch die Veröffentlichung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen, Hassrede und Anstiftung zur Gewalt.

Vonseiten der Politik kommt viel Zustimmung zur Löschaktion

Die Facebook-Seite von Querdenken-711 mit über 30 000 Mitgliedern sowie sowie das Instagram-Konto seien hauptsächlich für Informationen zu Grund- und Menschenrechten, zur Impfung oder Meinungsfreiheit genutzt worden, heißt es dagegen von der Bewegung. Beiträge, die Aufrufe zu Gewalt oder Mobbing enthielten habe man zu keinem Zeitpunkt geteilt. Facebook greife mit der Löschung „in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs massiv in die Willensbildung in Deutschland ein“, so der Vorwurf.

Auf ihren Telegram-Kanälen rief die Bewegung zudem dazu auf, in den kommenden Tagen „so viel Bargeld wie nur möglich“ abzuheben und so „ein Zeichen für Freiheit“ zu setzen. Zudem wurde an Unterstützende der Bewegung appelliert, alternative Social-Media-Kanäle zu nutzen. Man werde sich weiter dafür einsetzen, „Gräben zu überwinden und Spaltung zu verhindern“. Man bringe anderen Meinungen „Respekt und Gehör“ entgegen – und werde sich von diesem Weg nicht abbringen lassen, hieß es in der Mitteilung weiter.

Viele Politikerinnen und Politiker begrüßten die Löschaktion. So befürwortete die SPD-Vorsitzende Saskia Esken im Anschluss der Spitzenrunde zur Bundestagswahl 2021 im SWR-Fernsehen die Entscheidung von Facebook. Gleichzeitig kritisierte sie aber, dass Plattformen ihrer Verantwortung noch nicht vollständig nachkämen, volksverhetzende und andere strafbare Inhalte zu entfernen. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach von „guten Nachrichten“. Mit diesen Sperrungen dürfte es für die Szene erheblich schwieriger werden, ihre Propaganda zu verbreiten, und der weitere Zulauf aus der Bevölkerung dürfte erschwert werden, sagte der Minister der dpa.

Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisiert intransparentes Verfahren

Die Nicht-Regierungsorganisation „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF) erklärte, das neue „Verfahren“ von Facebook zur Sperrung „schädlicher“ Inhalte werfe viele Fragen auf. „Zwar mögen die Sperrungen im konkreten Fall gerechtfertigt sein. Doch sehen wir es aus der Perspektive der Meinungsfreiheit überaus kritisch, dass sowohl die Kriterien als auch das Verfahren dieser Sperrungen völlig intransparent sind“, sagte der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer der Deutschen Presse-Agentur.

Der Berliner Jurist betonte, Facebook trage als eine der wichtigsten Plattformen für den Diskurs im Netz eine große Verantwortung. Daher dürften Entscheidungen, die die praktische Reichweite der Meinungsfreiheit massiv beeinflussen, nicht allein Netzwerken wie Facebook überlassen werden. Die GFF forderte den Gesetzgeber auf, in der neuen Legislaturperiode ein digitales Gewaltschutzgesetz zu schaffen. „Damit meinen wir ein gerichtliches Verfahren, in dem Accounts zeitweise oder dauerhaft gesperrt werden können, mit denen rechtswidrige Inhalte ins Netz gestellt wurden.“