Wer in die Schule geht, wird klüger: Ein Jahr regelmäßiger Schulbesuch bewirkt einen Intelligenzzuwachs, der fünf IQ-Punkten entspricht. Foto: dpa/Marijan Murat

Schulschließungen und Homeschooling haben sich bei Schülerinnen und Schülern in Deutschland eher negativ auf deren Bildung ausgewirkt – das zeigt eine aktuelle Studie. Was Experten dazu sagen – und können die Kinder den Rückstand wieder aufholen?

Homeschooling hat viele Eltern und Schüler an den Rand der Verzweiflung gebracht. Eine Studie legt nun nahe, dass diese Lernform sich nicht unbedingt positiv auf den Bildungsstand der Kinder ausgewirkt hat: So schnitten Schülerinnen und Schüler in Deutschland sechs Monate nach Beginn der Coronapandemie schlechter in einem Intelligenztest ab als Vergleichsgruppen in den Jahren 2002 und 2012.

Der Rückstand zu den Vorjahren konnte in den darauffolgenden Monaten nicht aufgeholt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in der Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlicht wird.

Wo wurde die Studie gemacht?

Die Forschenden aus Trier und Chemnitz haben die Leistung von 424 Schülern aus vier Schulen in Rheinland-Pfalz aus den Klassenstufen sieben bis neun untersucht. In dem Intelligenztest wurden unter anderem die Geschwindigkeit der Bearbeitung, die Merkfähigkeit, die Verarbeitungsleistung, der Einfallsreichtum und das Verständnis von Zahlen, verbalen Ausdrücken und bildlichen Darstellungen abgefragt.

Wie war das Ergebnis?

Die Ergebnisse verglichen die Forschenden mit denjenigen von 104 Kindern, die in Bezug auf ihr Alter, Geschlecht und den besuchten Schul- und Klassentyp – darunter auch Hochbegabtenklassen – vergleichbar waren. Betrugen die durchschnittlichen Ergebnisse 2002 noch 112 Punkte, lagen sie 2020 nur noch bei 105. Bei einem wiederholten Test im Jahr 2021 verbesserten sich die Jugendlichen zwar im Schnitt um acht IQ-Punkte, doch der Abstand zu den früheren Vergleichsgruppen blieb.

Hat Corona die Schüler dümmer gemacht?

Es liegen mittlerweile einige Studien vor, die von negativen Effekten der Coronapandemie auf die schulische Lernleistung berichten, bestätigt Klaus Zierer, Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Gleichzeitig ist es erwiesen, dass sich die Dauer des Schulbesuchs positiv auf die Intelligenz auswirkt. So bringt ein Jahr Schule einen Intelligenzzuwachs, der ungefähr fünf IQ-Punkten entspricht.

Allerdings werde in der Studie nicht geklärt, wie stark weitere Einflussfaktoren eine Rolle für das schlechtere Abschneiden spielen könnten – wie etwa die Zeit, die Schüler mittlerweile am Computer-, Tablet- oder Handybildschirm verbringen. „Hierzu liegen Studien vor, die zeigen, dass beispielsweise die Nutzungsdauer und -art von Smartphones einen negativen Einfluss auf die Intelligenzentwicklung hat“, sagt Zierer.

Eva Stumpf, Direktorin des Instituts für Pädagogische Psychologie an der Universität Rostock, weist unter anderem auch darauf hin, dass Rückgänge bei den Ergebnissen von IQ-Tests seit 1994 immer wieder beobachtet wurden, nicht erst seit der Pandemie.

Wie repräsentativ ist die Studie?

Problematisch sei nicht nur die geringe Größe der Stichproben, sondern auch die Zusammensetzung der Schülergruppen, von denen ein großer Anteil aus dem sehr guten Leistungsbereich gekommen ist und fast die Hälfte sogar spezielle Hochbegabtenklassen besucht hat, bemängelt Samuel Greiff, Professor für Psychologie und pädagogisch-psychologische Diagnostik an der Universität Luxemburg: „Es bleibt also offen, wie sich die Pandemie auf Schüler und Schülerinnen insbesondere aus dem unteren Leistungsniveau ausgewirkt hat.“ Möglicherweise seien hier die Effekte noch ausgeprägter.

Kann der Rückstand aufgeholt werden?

Klaus Zierer aus Augsburg sieht nun die Bildungspolitiker der Länder in der Pflicht: „In der Summe liest sich die Studie als ein weiterer Weckruf, Bildung als gesamtgesellschaftliches Thema nicht nur in Sonntagsreden in den Blick zu nehmen, sondern mit evidenzbasierten Konzepten endlich anzugehen“, sagt er.