Ina Müller – hier bei einem Auftritt vor wenigen Tagen in Erfurt – liebt es schnoddrig. Foto: Imago/Future Image/Michael Kremer

Nicht nur für Boomer: Ina Müller hat in der Porsche-Arena authentisch übers Altwerden gescherzt.

Kinder, wie die Zeit vergeht! „Als ich zuletzt hier in Stuttgart Tschüss gesagt habe, war Corona noch ’n Bier“, wundert sich die Musik-Kabarettistin Ina Müller über den rasanten Lauf des Planeten, als sie am Freitagabend nach fünf Jahren das erste Mal wieder auf der Bühne in der Porsche-Arena steht. Vor ihr im Parkett dehnen sich fast voll besetzte Reihen aus, auf den Rängen sitzt die Menge allerdings versprengt.

„Früher war scheinbar alles leichter, sonderbar / Wenn ei’m die große weite Welt / Plötzlich auf die Füße fällt!“,Zum Auftakt singt Müller das Lied „Ich halt die Luft an“, das zum Hier und Jetzt passen wie das Kinn zum Haken. Man könnte ins Nachdenken kommen, doch Ina Müller, elegant im schwarzen Hosenanzug und atemberaubend flink unterwegs auf ihren polierten Lack-Plateau-High-Heels, erstickt jeden Anflug trüber Stimmung im Keim. „Was wir in den letzten drei Jahren gesehen haben, wie Leute ihren Mundschutz tragen! Da hab ich oft gedacht; kein Wunder, dass es mit der Verhütung nicht so klappt!“

Das Kochen sei in der langen Zeit bei ihr auch nicht besser geworden, „aber bestellen kann ich gut!“ Essen bestellen sei wie Essen gehen – „nur ohne BH.“ Von den Verheerungen der Pandemie – zuviel Essen, zuviel Alkohol, zu wenig Bewegung – kommt sie auf körperliche Probleme zu sprechen, die sich bei jedem und jeder zwangsläufig mit der Zeit einschleichen. „Ich hab lieber Orangenhaut als gar kein Profil“, singt die 57-jährige, der man selbst beim besten Willen und in Großaufnahme auf den riesigen Leinwänden links und rechts von der Bühne nicht ansieht, dass der Raffzahn Zeit auch an ihr wie am Rest der Menschheit nagt.

Trotzdem spricht, singt, ätzt und witzelt Ina Müller mit ihrer starken Band im Rücken ausgiebig über das Alter – „Boomer ist ja diese Phase zwischen gepflegt aussehen und gepflegt werden“ – und gibt dabei auch tragikomische Erfahrungen aus ihrem eigenen Alltag preis. „Es gab mal ne Phase, da sahen wir mit vierzig so aus wie mit neun“, sagt sie, und beschreibt ihr Erlebnis beim Intimwaxing als „Nahtoderfahrung“.

Müllers Humor: Derb und aufrichtig

Müllers Humor ist so derb wie aufrichtig, einmal offenbart sie anschaulich, wie sie als Frau unter der Regendusche irrwitzige Verrenkungen anstellen muss, um auch noch die letzte Ritze zu säubern. Dafür lässt sie sich sogar von ihren beiden Backgroundsängerinnen in den Handstand hieven.

Neben Körper-, Gesichts- und Stimmbandakrobatik – Ina Müller ist eine starke, im Klang warm-voluminöse Sängerin – gibt die Comedienne auch Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend zum besten, die sie im hohen Norden auf dem elterlichen Bauernhof erlebte. Von ruppig-liebevoller Erziehung, dem Zusammenhalt mit den Schwestern und dem ersten halben Mal mit einem Jungen in dessen Kinderzimmer singt und erzählt Ina Müller schnodderig, anrührend und authentisch, zweieinhalb Stunden lang, ohne Pause. Kinder, wie die Zeit vergeht!