Innenminister Thomas Strobl will Aufklärung (Archivfoto). Foto: dpa/Marijan Murat

Karriere gegen Sex? Machtmissbrauch? Aktuelle Vorwürfe werfen ein schlechtes Licht auf die Polizei. Der Innenminister will dem konsequent nachgehen - warnt aber vor Pauschalisierungen.

Stuttgart - Innenminister Thomas Strobl will die Vorwürfe sexueller Belästigung innerhalb der baden-württembergischen Polizei umfassend und lückenlos aufklären. „Ich werde alles dafür tun, dass das rückstandsfrei aufgeklärt wird“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in einer Sondersitzung des Innenausschusses zu dem Thema im Stuttgarter Landtag. Strobl sagte aber auch in Richtung Opposition, dass nicht versucht werden dürfe, auf dem Rücken der Polizei politische Geländegewinne zu erzielen.

Die Opposition hatte das Thema auf die Tagesordnung der Sitzung am Mittwoch gesetzt. Es geht vor allem um Vorwürfe von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Mitarbeiterin des Landespolizeipräsidiums. Ein hochrangiger Beamter soll seine Machtstellung unter Inaussichtstellung von Beförderung und Besetzung ausgenutzt haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in dem Fall. Gegen den Mann wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.

Vorwürfe seien extreme Belastung

Die Vorwürfe gegen den hochrangigen Beamten seien eine „extreme Belastung für die Polizei“, sagte Strobl - auch für das mutmaßliche Opfer. „Allein der Verdacht gegen einen herausgehobenen Polizeibeamten ist ein schwerer Rückschlag für das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit.“ Jeder Fall, in dem sexuelles Fehlverhalten im Raum stehe, sei einer zu viel. Ein mögliches Fehlverhalten Einzelner dürfe aber nicht dazu führen, dass eine ganze Organisation in Frage gestellt werde. 35 000 Männer und Frauen verrichteten jeden Tag korrekt ihren Dienst, sagte Strobl.

Die FDP-Abgeordnete Julia Goll sagte, sie sei fassungslos, dass es bislang keine zentrale Erfassung sexueller Belästigung bei der Polizei gebe. Wenn man nichts erfasse, könne man auch nicht von Einzelfällen sprechen. SPD-Innenpolitiker Sascha Binder forderte Akteneinsicht und mehr Transparenz vom Ministerium. Strobl betonte, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Einflussnahme im Hinblick auf Beurteilungen und Beförderungen durch nicht-fachliche Kriterien von dem Beamten - außerhalb des Falles - gegeben habe.

Es ist nicht der einzige Fall dieser Art: Ein ehemaliger Ausbilder der baden-württembergischen Polizei ist mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Auch hier ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Viele Verfahren eingestellt

Laut Innenministerium gab es von Januar 2017 bis November 2021 insgesamt 27 Anzeigen beziehungsweise Beschwerden im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen von Vorgesetzten. 25 Mal wurde demnach die Staatsanwaltschaft eingebunden. Mangels strafrechtlichen Anfangsverdachts sei in acht Fällen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte ein Sprecher mit. Zwölf Ermittlungsverfahren seien eingestellt worden, zwei hätten mit dem Erlass eines Strafbefehls geendet und drei liefen noch. In 21 Fällen seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden.