Beate Schönfeld-Dörrfuß (links) erklärt den Teilnehmern der inklusiven Führung, was der Künstler Olafur Eliasson mit der Skulptur „Pavillon für Waiblingen“ zeigen will. Foto: /Jan Potente

Die Touristinfo der Stadt Waiblingen bietet nun inklusive Führungen an – im Zuge des Deutschen Wandertags diese Woche kann man gleich mehrere Angebote testen.

Vorsicht – gleich wird es holperig“, sagt Sabine Schober zu Ursula Dürr, die sie in einem Rollstuhl vor sich her schiebt. Dann geht es auch schon über Kopfsteinpflaster vom Waiblinger Marktplatz gen Rems hinab. Unten überqueren die beiden Frauen die Lange Straße in Richtung der Galerie Stihl. Um den Rollstuhl auf den Gehweg zu bugsieren, braucht es zwei Versuche, obwohl der Bordstein auf den ersten Blick gar nicht besonders hoch erscheint.

Die Tücke steckt im Detail – das weiß Sabine Schober nur zu gut. Sie arbeitet bei der Waiblinger Wirtschaft-, Tourismus- und Marketing GmbH (WTM) und beschäftigt sich dort schwerpunktmäßig mit dem Thema Inklusion. „Mir ist wichtig, dass alle Menschen teilhaben können am gesellschaftlichen Leben“, sagt Schober. Für Touristen, die nach Waiblingen kommen, hat sie daher bereits mehrere spezielle barrierefreie Touren ausgetüftelt, an denen wirklich jeder und jede teilnehmen können soll, egal ob er im Rollstuhl sitzt, schlecht sieht, einen Gebärdensprachdolmetscher oder eine Führung in einfacher Sprache benötigt.

Wenige Stufen werden zum unüberwindbaren Hindernis

Ihr Engagement sei ein stückweit familiär bedingt, sagt Sabine Schober: „Mein Vater war ein Pflegefall und saß im Rollstuhl.“ Da sieht man eine Stadt mit anderen Augen, denn wenige Stufen werden zum unüberwindbaren Hindernis. Sabine Schober hat eine spezielle Ausbildung absolviert und ist nun zertifizierte Erheberin im Projekt „Reisen für Alle“, welches sich für mehr barrierefreie touristische Angebote in Deutschland einsetzt. Im Rahmen des 121. Deutschen Wandertags bietet sie eine Inklusionswanderung durch Waiblingen und den Landschaftspark Talaue an. Am Samstag erst zum zweiten Mal, doch die Tour soll ein fester Bestandteil des WTM-Programms werden.

Diese ist am Marktplatz gestartet, in Sichtweite der Waiblinger Touristinformation, die inzwischen ganz offiziell und als eine von wenigen im Landkreis als barrierefreie Anlaufstelle zertifiziert ist. Nach einem vitaminreichen Gruß vom Markt sind die Teilnehmer beim Haus der Stadtgeschichte gelandet. Die Kunsthistorikerin und Stadtführerin Ute Schönfeld-Dörrfuß erklärt dort an einem dreidimensionalen Bronzemodell der Stadt die Route. Wären blinde Teilnehmende mit von der Partie, so könnten diese am Modell die Straßen und Häuser Waiblingen buchstäblich begreifen. Weil die Teilnehmer Uwe Wünstel und Marcel Karthäuser nicht gut hören, achtet Ute Schönfeld-Dörrfuß darauf, dass die beiden Männer von ihren Lippen ablesen können.

Die Sprache ist bewusst einfach gehalten

Den Entwurf für diese Tour durch Waiblingen hat die Kunsthistorikerin bewusst in einfachen Sätzen formuliert, damit der Rundgang auch möglichst wenig sprachliche Hindernisse mit sich bringt. Sabine Schober hat den Text danach an ein Übersetzungsbüro für leichte Sprache weitergeleitet, das den Entwurf nochmals überarbeitet hat.

Die Route führt entlang der Rems, vorbei an Stephan Balkenhols Mann auf dem Kreisverkehr in Richtung Neustadt, seinem Mann auf dem Seepferdchen und Olafur Eliassons Skulptur „Pavillon für Waiblingen“. An jedem Stopp gibt Ute Schönfeld-Dörrfuß kurz und gut verständlich Erklärungen zu den Skulpturen. Den Weg über die Bogenbrücke, die von der Erleninsel zum Bürgerzentrum führt, kann Ursula Dürr wegen der Steigung nur mit Hilfe von Sabine Schober meistern. Deshalb ist für Rollstuhlfahrer ohne Begleitung und Elektromotor eine Alternativstrecke ausgeschildert. In den Apothekergarten neben der Nikolauskirche kann Ursula Dürr keinen Abstecher machen – er ist nur über eine Treppe zu erreichen.

Mehr Aufwand, aber durchaus machbar

Nach zwei Stunden sind alle wieder am Ausgangspunkt, es gibt viel Lob für die Tour. „Ich finde solche Aktionen gut. Leute mit Behinderungen sind oft nicht wirklich in der Gesellschaft, sondern leben tatsächlich häufig in Parallelwelten“, sagt der Sozialarbeiter Rudolf Bede. Auch Uwe Wünstel, der die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung in Schorndorf leitet, sieht die barrierefreie Tour als wichtigen Schritt für mehr Teilhabe an der Gesellschaft. „Es geht auch um Begegnung“, ergänzt Marcel Karthäuser: „Viele Menschen, die in Einrichtungen arbeiten, haben da nur sehr begrenzte Möglichkeiten.“ Bei der Organisation solcher barrierefreien Rundgänge müsse zwar mehr bedacht werden, „aber es ist machbar“.