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Viele Bauprojekte in der Region Stuttgart tun sich schwer, Ausgleichsflächen für geschützte Eidechsen zu finden. Eine Landtagsanfrage fördert erstaunliche Zahlen zutage.

StuttgartEtwa 69 Fußballfelder. Oder die Hälfte der Flächen, die im Zuge des Projekts Stuttgart 21 frei werden. Oder eineinhalb Mal der Cannstatter Wasen. Das ist das Äquivalent zu 50 Hektar. Wie man’s auch betrachtet: Es ist ziemlich viel, was da zwischen 2011 und 2018 umgewandelt worden ist in Stuttgart und der Region. Und zwar in Ausgleichsflächen für Eidechsen. So steht es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Fabian Gramling aus Bietigheim-Bissingen (Landkreis Ludwigsburg).

Die Tiere müssen, sofern sie bei Bauvorhaben gefunden werden, umgesiedelt werden, weil sie seit 2010 europaweit unter Schutz stehen. Gerade in Stuttgart hat das in den vergangenen Jahren zu heftigen Diskussionen geführt. Denn es wird immer schwieriger, Flächen dafür zu finden, die sich zum einen eignen und zum anderen nicht schon besiedelt sind.

Besonders die Deutsche Bahn kann ein Lied davon singen. Zuletzt sind rund 3200 Mauereidechsen auf den Killesberg umgesiedelt worden. Weil ein Teil der Feuerbacher Heide dafür in eine Art Steinwüste umgewandelt worden ist, ruft das bis heute Protest vieler Anwohner hervor. Nach jetzigem Wissen war dieses Areal sogar das letzte in Stuttgart, das überhaupt noch zur Verfügung stand. In einem Gutachten der Stadt heißt es, es gebe keine möglichen Umsiedlungsflächen mehr. Zugleich wird dort festgestellt, dass die Zahl der Mauereidechsen in Stuttgart mit geschätzt 140 000 Tieren sehr hoch ist. Dazu kommen noch einmal 60 000 bis 90 000 Zauneidechsen.

Die Zahlen haben zu einer Debatte darüber geführt, wie man in Zukunft mit den Tieren umgehen soll. Letztendlich müssen die Naturschutzbehörden entscheiden, wie sie die Lage einschätzen – und ob Ausnahmen vom Artenschutz künftig möglich sind. Auch Gramling merkt an: „Die Umsiedlung von Mauer- und Zauneidechsen kostet Geld und verzögert häufig Bauarbeiten.“ Außerdem habe sie mangels Flächen „weitere Konfliktfelder ans Licht getragen“. Es müsse deshalb die Frage gestellt werden, ob und wann dieses Vorgehen überhaupt noch sinnvoll und notwendig sei.

Wie viel die diversen Umsiedlungen gekostet haben und wie viele Eidechsen es in der Region überhaupt gibt, kann die Landesregierung nicht sagen. Wohl aber hat das Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne) andere Zahlen parat. Zwischen 2011 und 2018 sind in Stuttgart und den fünf zur Region gehörenden Landkreisen rund 50 Hektar Land in Eidechsenflächen umgewandelt worden. Darin ist das Areal auf dem Killesberg noch gar nicht eingerechnet, denn es fehlt in der Auflistung. Der Landkreis Esslingen liegt flächenmäßig vorn. Dort sind 206 650 Quadratmeter bereitgestellt worden. Es folgen Stuttgart mit 134 000 und Ludwigsburg mit 107 950 Quadratmetern. Deutlich weniger waren es im Rems-Murr-Kreis mit 21 600 sowie in den Kreisen Böblingen mit 17 950 und Göppingen mit 6200 Quadratmetern.

Auf diesen Flächen haben insgesamt 6420 Tiere eine neue Heimat gefunden, jeweils etwa zur Hälfte Mauer- und Zauneidechsen. Allerdings fehlen auch hierbei die 3200 Mauereidechsen vom Killesberg, sodass sich eine Gesamtzahl von 9620 Tieren ergibt. Gut 7000 davon stammen aus Stuttgart. Größte Einzelmaßnahme war neben dem Killesberg der Stuttgarter Neckarpark. Dort sind 2500 Mauereidechsen von der Stadt an den benachbarten Bahndamm vergrämt worden, um Platz zu schaffen für das geplante neue Wohn- und Gewerbegebiet.

Doch auch in den Landkreisen Esslingen und Göppingen gab es große Umsiedlungsaktionen. Dort zeichnet vor allem die Bahn im Zuge der Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm dafür verantwortlich. So sind 2017 allein im Bereich Aichelberg, Holzmaden, Weilheim/Teck, Wendlingen und Kirchheim/Teck über 1200 Tiere abgesammelt worden.

Tatsächlich dürften die Zahlen noch höher liegen. Denn auch bei vielen kleineren privaten Bauvorhaben sind Umsiedlungen nötig. Die allerdings kann das Land nicht alle einzeln erfassen.