Paula (Julia Jendroßek) möchte Yasemins (Nilam Farooq, links) Freundin sein. Foto: Constantin

„Freibad“, die jüngste Komödie Doris Dörries, kommt an diesem Donnerstag ins Kino. Sie spielt mit rassistischen und feministischen Klischees – und wagt sich auf dünnes Eis.

Es geht drunter und drüber im Frauenfreibad, wo die Best-Agerinnen Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) über Sommer praktisch wohnen. Die Türkischstämmigen grillen, dass es nur so raucht. Eine Horde verhüllter arabischer Frauen fällt ein und macht ihnen die Plätze streitig. Die Burkini-Schwimmerin Yasemin (Nilam Farooq) gerät in eine Zwickmühle und hat auch noch ihre feministische Kommilitonin Paula (Julia Jendroßek) am Bein. Die queere Person am Grill (Nico Stank) schafft die Schweinswürstchen ab. Die Schweizer Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) setzt ihre Kopfhörer auf und schaut weg.

Mit großer Lust stürzt Doris Dörrie („Männer“) sich in diesen „Culture Clash“, den der Kameramann Hanno Lentz in bunte Sommer-und-Sonne-Anmutung taucht. „Freibad“ greift unerschrocken Klischees auf, gegenwärtige Gender-Verwirrung, Rassismus und Vorurteile. Dörrie erspart ihren Frauen wirklich keine Gemeinheit – nicht einmal die, dass der neue Bademeister ein attraktiver Mann ist (Samuel Schneider) und endgültig alles durcheinanderbringt.

Der Burkini als zum Symbol für Selbstbestimmung

Andrea Sawatzki posiert als Eva penetrant lasziv im Bikini als eine Petra Pan von vorgestern, die lernen muss, ihr Alter anzunehmen. Maria Happel macht aus Gabi eine melancholische Wohlstandsgattin, die sich hinter teurer Mode versteckt und den Glauben an die Welt zu verlieren droht. Nilam Farooq, eine Wucht in „Contra“, verteidigt als Yasemin den Burkini mit Zähnen und Klauen, weil er für sie zum Symbol rebellischer Selbstbestimmung geworden ist. Unter den Araberinnen, die die zunächst männerfreie Zone genießen, sticht als streitbare Chefin Sabrina Amali heraus. Bald hat man das Gefühl, diese Frauen ein bisschen zu kennen.

Stellenweise allerdings gibt Dörrie sich sehr dem Klamauk hin. Wenn Frauen haareziehend am Boden raufen oder einen feministischen Boykott ausrufen, muss das schon sehr gut motiviert sein, damit man es wirklich glaubt. Wo die Frauengefängnis-Serie „Orange is the new black“ es geschafft hat, die irrsten Marotten ganz selbstverständlich zu etablieren, wirkt „Freibad“ mitunter, als würde da jemand übers Ziel hinausschießen. Muss die feministische Studentin eine derart enervierende deutsche Kartoffel sein? Muss die Person am Kiosk sich derart in opportunistischer Koketterie ergehen?

Multikulti-Folklore umweht weiße Damen

Zugleich weicht der Film einer vertieften Auseinandersetzung ein stückweit aus. Die Unterschiede zwischen muslimischen Frauen verschiedener Herkunft sind zwar sichtbar, aber gerade die türkischstämmigen dürfen wenig Substanzielles beitragen – sie sind letztlich Teil einer Multikulti-Folklore, die die weißen Damen im Zentrum umweht.

Mit ihrer Uneindeutigkeit begibt Dörrie sich auf dünnes Eis in Zeiten, in denen schon Rasta-Zöpfe als rassistische Aneignung gewertet werden. Weitaus klarer wirkte da Marcus H. Rosenmüllers Freibad-Komödie „Beckenrand Sheriff“ (2021), in der er in die bayerische Lokal-Satire ein erschütterndes globales Flüchtlingsdrama einbrechen ließ.

Freibad. D 2022. Regie: Doris Dörrie. Mit Andrea Sawatzki, Nilam Farooq. 102 Minuten. Ab 12.