Philippe (Thimotée Robart) ist ein radiotechnisches Genie, im sozialen Umgang aber eher unbeholfen. Foto: Port au Prince Pictures/Céline Nieszawer

Das französische Filmdrama „Die Magnetischen“, das nun im Kino läuft, taucht tief ein ins Lebensgefühl Heranwachsender in der New-Wave-Ära des Jahres 1981.

Wenn Philippe (Thimotée Robart) im Berliner Radiostudio zum Klangmagier wird, staunen selbst altgediente Moderatoren: Über einem Lautsprecher pendelnde Mikrofone erzeugen ein Grundraunen, eine Kaffeetasse auf der Schallplatte schubst die Nadel immer wieder zurück, das aus einer Audiokassette gezogene Magnetband läuft über den Tonkopf einer Bandmaschine und Philippe manipuliert virtuos seinen Lauf. Er hofft, dass zu Hause Marianne (Marie Colomb) zuhört und den erlösenden Song der Undertones richtig deutet: „I wanna hold her wanna hold her tight / Get teenage kicks right through the night“.

Gelernt hat Philippe das alles durch einen Piratensender, den er mit seinem älteren Bruder Jerôme aufgebaut hat auf dem elterlichen Dachboden in der französischen Provinz. Es ist das Jahr 1981, die Ära des Zauberwürfels und der selbst gestalteten Mixtapes. Gang of Four und Iggy Pop liegen in der Luft und ein Gefühl von Aufbruch: François Mitterand ist zum ersten linken Staatspräsidenten Frankreichs gewählt worden.

Ausgerechnet der ungelenke Philippe schafft es heraus aus der Provinz

Alle lieben den Charismatiker Jerôme, doch wie gierig er das Leben einsaugt, meistens berauscht, lässt nichts Gutes ahnen. Der gehemmte Philippe erledigt still die Arbeit im Hintergrund. Dann tritt die hübsche Marianne zwischen beide, eine lebenslustige Friseurin und auf der Suche nach ihrem Weg wie alle anderen. Philippe verliebt sich unsterblich, doch er wird zum Wehrdienst eingezogen und muss ins besetzte Westberlin.

Ausgerechnet er schafft es also weg aus der Kleinstadtmalaise. Er findet in Edouard aus Paris einen weltläufigen Freund, der ihm Erweckungserlebnisse beim britischen Armee-Sender BFBS verschafft und auf exaltierten Ostberliner Partys, wo Widerständige trotzig gegen ihr Eingesperrtsein anfeiern.

Cardona rekonstruiert die Ära liebevoll als Historienfilm

Der Clou an der Geschichte: Der Regisseur Vincent Maël Cardona ist 1980 geboren. Er hat nichts davon erlebt, alles liebevoll als Historienfilm rekonstruiert. Er kommt dem melancholischen Lebensgefühl Heranwachsender in der New-Wave-Ära sehr nahe – und ihrer Liebe zur Musik, für die sie die analogen Möglichkeiten voll ausschöpften.

Die Magnetischen. F 2021. Regie: Vincent Maël Cardona. Mit Thimotée Robart, Marie Colomb. 99 Minuten.