Tierpflegerin Lara Lutz bei ihren Schützlingen, den Netzgiraffen, in der Stuttgarter Wilhelma. Foto: Iris Frey

Mit ihren vier Metern Höhe zählen die Giraffen zu den größten Tieren in der Wilhelma in Stuttgart. Warum hoher Blutdruck für die Tiere wichtig ist, erklärt ihre Pflegerin Lara Lutz. Zu Besuch bei den Langhälsen im größten Revier des Stuttgarter Zoos.

An diesem sonnigen Tag sind sie alle draußen im sandigen Gehege umsäumt von hohen Bäumen. Der junge Bulle Tilodi liegt im Sand, käut wieder. Die drei Weibchen Sala, Lindani und Nyiri beäugen die Besucher neugierig. Nyiri ist die Älteste. „Sie ist 2000 geboren. „Sie hat die schönsten Augen und ist am dunkelsten im Fell“, sagt Lara Lutz über die Giraffenkuh. Sie muss es wissen, denn sie ist ihre Tierpflegerin. Die 25-Jährige hat in der Wilhelma ihre Ausbildung gemacht und ist hier seit 2019 in ihrem „Wunschrevier“ – der afrikanischen Huftieranlage. „Ich bin fasziniert vom Charisma der Tiere und der unglaublichen Präsenz“, sagt sie strahlend über ihre Schützlinge.

Bis zu 4,50 Meter große Exoten

Ihre besondere Ausstrahlung zeigen die vier langbeinigen und langhalsigen Exoten auch hinter dem Besucherzaun. Sie messen bis zum Kopf bis zu 4,50 Meter und stehen als die größten Tiere in der Wilhelma noch vor den Elefanten, den Trampeltieren und dem Nashorn. Sie sind weltweit die größten landlebenden Tiere. Entspannt genießen die bis zu 500 Kilogramm schweren Savannentiere an diesem Nachmittag sichtlich die Frühlingssonne. Zwei sitzen bequem im Sand, die anderen beobachten die Gegend.

Der „Hahn“ im Korb ist der drei Jahre alte Tilodi

Lindani, die 2012 im Kölner Zoo geboren wurde und seit 2014 im Zoo Duisburg war, kam elfjährig im Jahr 2023 in die Wilhelma. Die heute 25-jährige Nyiri ist mit der damals vierjährigen Sala 2021 vom Kölner Zoo in die Wilhelma eingezogen, weil dort das Giraffenhaus umgebaut wurde. Der „Hahn im Korb“ ist Tilodi, der 2022 in Kopenhagen geboren ist. Er kam im Februar 2024 nach Stuttgart und sei noch nicht erwachsen, sagt Lutz. Er ist etwa im Alter von vier Jahren geschlechtsreif. Dabei ist Tilodi der Hoffnungsträger für die Giraffen - und für die Tierpflegerin. Noch ist er zu klein, um für Nachwuchs zu sorgen. Doch sie freut sich schon, sollte es eines Tages klappen: „Ich habe noch keine Geburt erlebt“, sagt sie.

Bei den vom Aussterben bedrohten Tieren ist jeder Nachwuchs wichtig. Jährlich wird am 21. Juni – am Welt-Giraffentag – an die zunehmende Bedrohung dieser Tierart, erinnert, von der es laut Weltnaturschutzorganisation IUCN nur noch rund 15000 Tiere gibt. In der Wilhelma sind seit 1970 rund 40 Giraffenkälber zur Welt gekommen, bedeutsam für das Ex-Situ-Zuchtprogramm des europäischen Zooverbandes EAZA. „Es gibt derzeit nur vier Giraffenarten“, berichtet Lutz. In der Wilhelma leben vier Netzgiraffen und die Waldgiraffen sowie Okapis, die nächsten Verwandten der Giraffen aus Zentralafrika, ebenfalls stark gefährdet.

Lange Zunge hilft beim Blätterpflücken

Ihre Schützlinge, die ursprünglich im Norden Kenias beheimatet sind und in den angrenzenden Regionen in Äthiopien und Somalia, haben eine bis zu halben Meter lange Zunge, erzählt Lutz. „Damit können sie das Laub gut aus den Bäumen pflücken.“ Während die Giraffe wie der Mensch sieben Wirbel hat, hat sie dafür einen doppelt so hohen Blutdruck. Schließlich muss das Blut vom Herz in den etwa zwei Meter höheren Kopf gepumpt werden.

Giraffen mögen Luzerne-Heu

Der Arbeitstag der 25-Jährigen beginnt um 6.30 Uhr. Dann geht es in den Stall. „Da schauen wir, ob alles gut ist. Meistens liegen die Tiere in ihrem Strohbett.“ Sie bekommen frisches Laub. Die Giraffen mögen Luzerne-Heu. Lutz Dienst dauert in der Regel von 7 bis 16 Uhr, im Sommer gibt es noch einen Spätdienst. Am Abend wird die Anlage sauber gemacht. Dann gehen die Tiere in den Stall, während die Pfleger das Außengelände säubern. Wenn es sehr warm ist, schlafen sie im Sandbecken. Im Stall gibt es auch Strohbetten, wie Lutz zeigt. Und in stattlicher Höhe von gut drei Metern hängen die Futterkörbe. Während Koalas mit 20 Stunden zu den Langschläfern gehören, sind die Giraffen das Gegenteil: Sie schliefen etwa zwei bis drei Stunden tief, sonst dösten sie mehr, sagt Lutz. „Wenn sie richtig schlafen, legen sie den Kopf dicht an den Körper.“ Was machen Giraffen sonst am Tag? Sie sind Wiederkäuer. Stundenlang kauen sie ihr Futter wieder. So auch an diesem Nachmittag.

Tiere unterhalten sich für Menschen nicht hörbar

„Im Winter sind sie zwar auch draußen, aber wenn es nasskalt und rutschig ist, nicht“, erläutert Lara Lutz.

Übrigens unterhalten sich die Tiere – doch die tiefen Schallgeräusche können Menschen nicht hören. Die Netzgiraffen, die in der Natur die Aufgabe übernehmen, Blätter zu fressen, die andere Tiere nicht erreichen können, leben übrigens in Stuttgart in ihrem Bereich nicht allein, sondern mit vier weiblichen Säbelantilopen zusammen.

Tierpfleger in gesichertem Kontakt

Die Giraffen mögen es übrigens nicht, angefasst zu werden. Die Tierpfleger halten einen gesicherten Kontakt. Denn man darf die riesigen, grazilen Tiere nicht unterschätzen: Sie können sehr schnell rennen und wehrhafte Tritte etwa gegen ihre Fressfeinde wie Löwen, Leoparden oder Hyänen abgeben. Aber ihre Pfleger erkennen sie. Das zeigt sich auch beim Besuch an ihrem Gehege, als Lara Lutz mit freundlicher Stimme das Quartett beim Namen ruft und Leckerlis anbietet. Da recken alle vier gleich die langen Hälse über den Zaun, um sich das Extrafutter zu schnappen.

Die afrikanische Huftieranlage

Wilhelma
Mit ihrer Gesamtfläche von 30 Hektar ist das Afrika-Revier in der Wilhelma derzeit das größte. Insgesamt 10 Pfleger kümmern sich um die Tiere. Im Revier leben Netzgiraffen, Bongos, die Waldgiraffen Okapis, Zebras und Somali-Wildesel, Dorkas, Gazellen, Dscheladas, Erdmännchen und Servalen samt Wüstenfüchse, Von-der-Decken-Tokos und Kurzohr-Rüsselspringer. Die Wilhelma-Talks bei den Netzgiraffen sind immer dienstags um 14 Uhr vor dem Giraffenhaus. Besucher können den Tierpflegern Fragen stellen.