Täglich machen sich Tausende Menschen auf den Weg in Richtung USA. Foto: IMAGO//Hector Adolfo Quintanar Perez

US-Präsident Biden entsendet 1500 Soldaten an die Grenze zu Mexiko, um einen Zustrom illegaler Migranten zu bremsen.

Der Ton war streng, als die fürs Äußere und den Heimatschutz zuständigen US-Minister Antony Blinken und Alejandro Mayorkas in der vergangenen Woche gemeinsam vor die Kameras traten. „Die Propaganda der Schleuser ist falsch“, insistierte Mayorkas. „Unsere Grenze ist nicht offen, und sie wird nach dem 11. Mai nicht offen sein.“ Schon dieser bemerkenswerte Auftritt verdeutlichte den Ernst der Lage an der 3145 Kilometer langen Grenze der USA zu Mexiko, wo derzeit täglich zwischen 6000 und 8000 illegale Zuwanderer aufgegriffen werden. In wenigen Tagen schon könnte die Zahl nach Schätzungen der US-Behörden auf über 10 000 springen. Die Regierung Biden befürchtet offenbar, dass die Situation eskaliert: Am Dienstag kündigte sie die ungewöhnliche Entsendung von 1500 Soldaten an die Grenze an.

Hintergrund des Zustroms von Asylsuchenden und illegalen Migranten aus Süd- und Mittelamerika ist das am 11. Mai bevorstehende Auslaufen einer umstrittenen Abschieberegelung aus der Trump-Zeit. Die im Frühjahr 2020 vorgeblich zum Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus erlassene Vorschrift Title 42 hebelte faktisch das Asylrecht aus und erlaubte es dem Grenzschutz, ankommende Zuwanderer und Schutzsuchende pauschal an der Grenze zurückzuweisen. Mehr als 2,5 Millionen Mal ist das in den vergangenen drei Jahren passiert.

Das Thema hat für Joe Biden hohes innenpolitisches Gewicht

Die Regierung Biden hatte die von Menschenrechtsanwälten scharf kritisierte Regelung zunächst in Kraft gelassen. Eine geplante Aufhebung im vorigen Jahr verhinderte auf Antrag von republikanisch regierten Bundesstaaten der Supreme Court. In der nächsten Woche aber fällt die Bestimmung. Angesichts eines Trommelfeuers an Kritik von Republikanern und TV-Sendern, auch lautstarker Klagen demokratischer Kommunalpolitiker über die Überlastung ihrer Kommunen dürfte der Umgang mit der neuen Herausforderung für Präsident Joe Biden innenpolitisch großes Gewicht erlangen.

Nach einem Bericht der „Washington Post“ ist die Lage vor Ort angespannt. Mehr als 20 000 Migrantinnen und Migranten befinden sich schon im Gewahrsam des US-Grenzschutzes. Die Kurzzeiteinrichtungen sind komplett überfüllt. Oftmals schicken Beamte die Zuwanderer offenbar einfach weiter zu Städten im Inneren der USA mit der Auflage, sich dort registrieren zu lassen, was nicht immer passiert. Die demokratischen Bürgermeister von New York und Chicago haben erklärt, dass ihre Metropolen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könnten.

Der Bürgermeister von El Paso ruft den Notstand aus

Gleichzeitig warten alleine im mexikanischen Ciudad Juarez, auf der anderen Seite des Rio Grande gegenüber der US-Stadt El Paso, nach Angaben lokaler Behörden rund 35 000 Menschen auf den Grenzübertritt. Tausende Venezolaner sollen den Fluss in den vergangenen Tagen illegal überquert haben. Der demokratische Bürgermeister von El Paso hat den Notstand ausgerufen.

Mit der Einrichtung von Erstregistrierungszentren im Ausland, Rücknahmeabkommen mit dem Nachbarland Mexiko und der Entsendung von zusätzlichem Personal an die Grenze versucht die Regierung Biden, den Zustrom einzudämmen. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre betonte, dass die 1500 bewaffneten Soldaten, die zunächst für 90 Tage an die Grenze verlegt werden, keine Polizeiaufgaben übernehmen werden, sondern administrative Aufgaben wie Dateneingabe, Lagerhaltung und Transport, um die Beamten des Grenzschutzes zu entlasten.

Trumps Einsatz von Soldaten haben die Demokraten scharf kritisiert

Schon bislang sind 2500 Nationalgardisten an der Grenze im Einsatz. Der Einsatz regulärer Soldaten im amerikanischen Inland ist gleichwohl unüblich. Als die Regierung Trump vor Jahren ähnlich vorging, wurde sie von den Demokraten scharf kritisiert. Dieses Mal ist der innerparteiliche Protest eher leise. „Die Militarisierung der Grenze durch die Regierung Biden ist inakzeptabel“, meldete sich alleine Bob Menendez, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, zu Wort.

Gleichzeitig bemüht sich die Regierung, die Zuwanderung politisch in geregeltere Bahnen zu lenken. Dazu will sie in Kolumbien und Guatemala regionale Registrierungsstellen einrichten, wo Asylsuchende vor ihrer Reise in den Norden überprüfen lassen können, welche Chancen ein Antrag in den USA hat. Zudem hat Washington soeben ein seit Januar bestehendes Rücknahmeabkommen mit Mexiko neu ausgehandelt. Darin verpflichtet sich das Nachbarland, monatlich 30 000 Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela aufzunehmen, die aus den USA ausgewiesen wurden. Umgekehrt sagt Washington die Aufnahme einer gleich großen Zahl von Migranten aus diesen Ländern samt Arbeitserlaubnis zu, sofern diese legal einreisen.