Die IHK will die Verbreitung des obigen Bildes mit einem an die Wand projizierten kritischen Spruch von einer Kundgebung der Kaktus-Gruppe stoppen - und verklagt deshalb ein Mitglied aus Ludwigsburg. Foto: Kaktus-Gruppe - Kaktus-Gruppe

Der Kleinkrieg zwischen der Industrie- und Handelskammer und der oppositionellen Initiative landet vor Gericht. Der Geschäftsführer Johannes Schmalzl geht gegen ein Foto vor, die Kammerkritiker fühlen sich „mundtot“ gemacht.

Stuttgart/LudwigsburgDie Vertreter der kammerkritischen Kaktus-Gruppe nehmen, wie so häufig, kein Blatt vor den Mund. „Man will uns mundtot machen“, klagt Peter Schweizer, ein Werbeunternehmer aus Ludwigsburg. Die Stuttgarter Feinkosthändlerin Martina Ueberschaar spricht von „feudalistischem Treiben“. Der Grund der Attacken ist eine Klage auf Unterlassung gegen Peter Schweizer, angestrengt von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, vertreten durch den Geschäftsführer Johannes Schmalzl. Bei Zuwiderhandlung soll ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro fällig werden. Am 23. Januar treffen sich die beiden Seiten vor dem Landgericht in Stuttgart zur Verhandlung.

Worum geht es? Die Kaktus-Gruppe hat am 26. November eine kleine Kundgebung vor der IHK-Zentrale in der Stuttgarter Jägerstraße abgehalten. Dabei wurde eine Projektion an die Wand geworfen mit dem Kaktus-Logo und dem Spruch „Ehrbare Kaufleute oder Rechtsbrecher, Sie haben die Wahl.“ Dieses Foto soll die Kaktus-Gruppe nach dem Willen der IHK von ihrer Facebook-Seite löschen.

Der Hamburger Rechtsanwalt Walter Scheuerl begründet die Unterlassungsklage damit, dass die Außenfläche des IHK-Gebäudes „eigenmächtig und rechtswidrig“ genutzt worden und damit das Eigentum beeinträchtigt worden sei. Zumal es sich zum „Schmähkritik“ handle. Die Kaktus-Gruppe weist den Vorwurf zurück. „Hier soll die Presse- und Meinungsfreiheit angegriffen werden“, entgegnet Peter Schweizer.

Als Verantwortlicher im Impressum der Facebook-Seite ist er das Ziel der Klage. „Man will einen einzelnen herausgreifen mit dem Ziel, möglichst hohe Kosten zu verursachen“, sagt der Ludwigsburger Inhaber einer Werbeagentur, der in Murr wohnt. Er verteidigt die Verwendung des Begriffs Rechtsbrecher, der sich auf Daimler, Porsche und Bosch beziehe: „Das sind Firmen, die Milliarden Euro Strafe wegen Fehlverhaltens im Dieselskandal zahlen mussten.“ Daher dürften sie bei der im Juni anstehenden Wahl der Vollversammlung nicht wieder gewählt werden.

Hinter diesem Rechtsstreit steckt ein seit vielen Jahren schwelender Konflikt. Die Kaktus-Gruppe wehrt sich gegen die „Zwangsmitgliedschaft“ aller Unternehmen in der IHK, prangert deren aus ihrer Sicht zu hohe Rücklagen von 20 Millionen Euro an und wirft der Organisation Geldverschwendung vor, etwa weil die IHK auf ihrem Gelände Wein anbaut. Gleichzeitig stellen die Kakteen häufig politische Anträge. Dabei geht es oft um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, das den Anstoß zur Gründung der Gruppe gegeben hat. Oder um Klimaschutz und die Ächtung von Rassismus und Waffenexporten.

Die Mehrheit der IHK-Vollversammlung lehnt es ab, über solche Anträge zu beraten – weil die Kammer für solche politischen Fragen aus ihrer Sicht nicht zuständig ist. Oft landet der Streit vor Gericht. So sollte der IHK-Spitze verboten werden, sich abfällig über die Kaktus-Gruppe zu äußern – daher haben die Unternehmer die Initiative „Pro Wirtschaft“ gegründet, die auf die Kakteen-Angriffe reagiert. Eine Reihe von Klagen läuft gegen die IHK-Rücklagen.

„Mit der Geduld am Ende“

Meistens ergreift die Kaktus-Gruppe die juristische Initiative, nun verklagt umgekehrt die IHK ein Kaktus-Mitglied. Veit Mathauer, der Sprecher von Pro Wirtschaft, begründet dieses Verfahren gegen Schweizer damit, dass die Projektion die Neutralitätspflicht der IHK verletzt habe. „Das ist wie das Gebäude des Bundeswahlleiters, es muss neutral bleiben“, sagt Mathauer, „weil schließlich die IHK die Wahl der Vollversammlung ausrichtet.“ In Unternehmerkreisen hört man die inoffizielle Begründung, man sei wegen des Auftretens der Gruppe in IHK-Versammlungen mit der Geduld am Ende. Permanente Beleidigungen und Angriffe habe man mit Langmut hingenommen, der Begriff Rechtsbrecher sei aber zu viel.