Die Spritpreise an den Tankstellen im Land sind in den vergangen Wochen enorm in die Höhe geschossen. Foto: dpa/Sven Hoppe

Die Bundesregierung in Berlin ringt in diesen Tagen um Entlastungen bei den hohen Energiepreisen. FDP-Chef Christian Lindner ist dabei mit der Idee eines Tank-Zuschusses vorgeprescht. Was ein Tankrabatt bringen könnte – und was Kritiker sagen.

In diesen Tagen liegen die Spritpreise in Deutschland mit weit über zwei Euro pro Liter derzeit auf nie gekanntem Niveau. In den ersten beiden Wochen des Ukraine-Krieges waren die Preise enorm in die Höhe geschossen – teilweise um mehr als 10 Cent pro Tag. Die Bundesregierung debattiert deshalb um Möglichkeiten, die Menschen bei den hohen Energiepreisen zu entlasten.

Vor wenigen Tagen war FDP-Chef Christian Lindner dabei mit einem Vorschlag für einen Tankrabatt vorgeprescht. Allerdings gibt es darüber noch Uneinigkeit in der Ampel-Koalition. Ein Überblick.

Was konkret stellt sich Lindner unter den Tankrabatten vor?

Nach Lindners Vorstellung könnte es einen staatlichen Zuschuss geben, der beispielsweise für drei Monate befristet ausgezahlt würde – so sagte er es gegenüber der „Rheinischen Post“. Nach dieser Idee würde der Bund von jedem Liter Sprit einen gewissen Teil des Preises übernehmen, der Rabatt soll dann an der Kasse abgezogen werden. Tankstellen könnten dann auf Basis der Gesamtmenge des verkauften Sprits die Erstattung beim Staat beantragen.

„Wenn es nach mir geht, landen wir mit dem Tankrabatt bei unter zwei Euro je Liter Diesel und Benzin. Das Ganze geht natürlich nur zeitlich befristet“, sagte Lindner. Er geht wohl davon aus, dass die Spritpreise durch den staatlichen Zuschuss pro Liter um 30 bis 40 Cent fallen könnten. Dem Finanzminister zufolge würde der auf drei Monate zeitlich limitierte Tankrabatt den Bund mehr als sechs Milliarden Euro kosten. Die konkrete Ausgestaltung sei demnach aber nach wie vor offen.

Welche Kritik gibt es an dem Vorstoß?

SPD und Grüne – die Koalitionspartner der FDP – kritisierten direkt nach dem Vorstoß, dass das Vorhaben nicht abgestimmt gewesen sei und eine Umsetzung auch nicht speziell Einkommensschwächeren nutzen würde, die besonders unter der Preisexplosion an den Tankstellen leiden. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, die Entlastung dürfe nicht nur beim Benzinpreis ansetzen, auch Gas- und Lebensmittelpreise belasteten viele Menschen.

Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) nannte einen Tankrabatt als Bestandteil eines Entlastungspaketes bei Twitter „eine verhängnisvolle Fehlentscheidung“ – und warnte vor einer „Rabatt-Gießkanne“. SPD-Landeschef Andreas Stoch die Idee als „wirres Konzept“. Er sieht die Verantwortung für die hohen Preise bei den Konzernen: Die Rohölpreise seien wieder bis auf das Niveau vor dem russischen Angriff gesunken, an den Zapfsäulen würden aber weiter Rekordpreise gefordert.

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Kritik kam auch aus der Mineralölwirtschaft: bei dem Modell drohe ein riesiger Bürokratieaufwand. Vor allem für kleinere und mittlere Betriebe wäre das einem Verband zufolge problematisch, sie müssten zunächst in Vorleistung gehen.

Warum sind die Spritpreise weiterhin so hoch?

Während Rohöl fast wieder auf das Preisniveau vor Beginn des Ukraine-Kriegs zurückgekehrt ist, bleibt Superbenzin rund 45 Cent teurer und Diesel sogar rund 64 Cent. „Mein Eindruck ist, dass ein paar Ölmultis gerade den großen Reibach machen“, schrieb Grünen-Politiker Danyal Bayaz auf Twitter. Bei der SPD ist von einer „enormen Spekulationsblase im Markt“ als Wurzel allen Übels die Rede. Den Spekulanten dürfe nicht noch staatliches Geld hinterhergeworfen werden.

Auch beim ADAC sieht man die ungewöhnliche Diskrepanz zwischen Ölpreis und Spritpreis. „Trotz aller kriegsbedingter Sondereffekte und Erklärungen für die hohen Spritpreise – irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen“, sagte Kraftstoff-Experte Jürgen Albrecht.

Was halten Ökonominnen und Ökonomen von einem Tankrabatt?

Führende Ökonomen haben den von Lindner geplanten Tank-Zuschuss zur Entlastung der Autofahrer von hohen Spritpreisen kritisiert. „Entlastungen sollten nicht mit der Gießkanne erfolgen, sondern gezielt. Deshalb denke ich, dass der Tankrabatt nicht das richtige Instrument ist“, sagte Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, der „Rheinischen Post“. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm betonte: „Die Diskussion um Tankrabatte ist völlig aus der Zeit gefallen. Wir müssen die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Tankrabatte entlasten aber Gutverdienende stärker, weil diese mehr Autos besitzen und weitere Strecken fahren.“

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Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung lehnt Lindners Vorschlag ab. „Statt reichen SUV-Fahrern die Tankfüllung zu bezahlen, sollten wir besser ein Mobilitätsgeld für ökologisch ausgerichtete Mobilität an wirklich Bedürftige zahlen“, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert der „Rheinischen Post“. Ein Tankrabatt sei ökonomisch und ökologisch unsinnig, teuer und sozial ungerecht.

Werden die Tankrabatte trotz der Kritik kommen?

Trotz viel Kritik aus den Reihen der Koalitionspartner SPD und Grüne hat sich FDP-Chef Christian Lindner optimistisch gezeigt, dass sein Vorschlag eines Tankrabatts für alle Autofahrerinnen und Autofahrer umgesetzt wird. „Ich sehe jedenfalls in der SPD viele, die dafür sind“, sagte Lindner in der ARD-Sendung „maischberger. die woche“. In Berlin soll nun eine neunköpfige Kommission mit Vertretern der Ampel-Fraktionen die Vorstellungen von SPD, Grünen und FDP vereinen.

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Wann und wie schnell könnte ein Zuschuss kommen?

Auch das ist noch offen. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte Lindner, es gehe darum, spürbare Entlastungen sehr schnell zu organisieren. Ein von den Grünen vorgeschlagenes Energiegeld begrüße er. Dies setze aber komplizierte Gesetzgebung voraus. Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil sagte dem Sender RTL/ntv, er sei „jetzt vorsichtig, einzelne Instrumente zu diskutieren“, aber es dürfe auch nicht auf die lange Bank geschoben werden: „Wir brauchen noch in dieser Woche konkrete Verabredungen, und daran wird jetzt mit Hochdruck gearbeitet“, so Klingbeil.