Friedrich Hölderlin Foto: imago/Horst Rudel

Ausstellung, Vorträge, Beatbox, Eyetracking, Sprachlabor, Gedichtlaufstrecke: Im Marbacher Literaturmuseum ist das baden-württembergische Programm zum Hölderlin-Jahr vorgestellt worden.

Marbach - Sprachen neu zu erlernen, ist ein mühsames Geschäft. Geduldiges Vokabelpauken gehört ebenso dazu wie den Frust auszuhalten, wenn man mal nichts versteht. Einerseits. Andererseits ist das Erlernen neuer Sprachen höchst inspirierend. Welten eröffnen sich, und wenn man allmählich versteht, löst das ein großes Glücksgefühl aus. Wer auf der Suche nach solch seligen Momenten der Erkenntnis ist, findet mit dem umfangreichen Programm zum Hölderlin-Jahr einen Sprachkurs der besonderen Art. In über 650 Veranstaltungen können Anfänger wie Muttersprachler ihre Kenntnisse in „Hölderlinisch“ vertiefen.

Diese „dem Deutschen verwandte Sprache“ – so hat der Dichter Oskar Pastior sie beschrieben – reißt die Grenzen der Verständlichkeit regelmäßig nieder. Die Ausstellung im Marbacher Literaturmuseum der Moderne unter dem Titel „Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie“ hingegen zieht einen unbefangenen Zugang vor: Spielerisch soll Hölderlins Poesie hier erfahrbar werden. Zum Beispiel an einer Eyetracking-Station: Dort wird registriert, ob ein Gedicht tatsächlich immer von oben nach unten gelesen oder zunächst über bestimmte hervorstechende Wörter entziffert wird. Wie und ob uns Hölderlins Gedichte emotional bewegen, lässt sich in einem weiteren Experiment am Hautwiderstand messen. Überhaupt liegt ein Schwerpunkt der Ausstellung auf einer betont empirischen (und damit vielleicht auch ganz neuen Annäherung) an Hölderlins Lyrik.

Ebenso wie bei Hölderlin, der nicht nur mit Sprache, sondern auch mit Schrift experimentiert (einmal ritzt er seine Worte kaum erkenntlich ohne Tinte ins Papier), tauchen auch in der Marbacher Schau ungewöhnliche Umsetzungen seiner Texte auf. Lochkarten visualisieren das berühmte Gedicht „Hälfte des Lebens“ in Computersprache, Oszillogramme des gesprochenen Textes veranschaulichen den Sprachrhythmus, und in einer „Beatbox“ wird das Gedicht zum Klingen gebracht. Zur Ausstellungseröffnung hat sich der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angekündigt.

Eine viel versprechende Sprachreise durch das ganze Land

Im übrigen müssen Besucher, deren Forschergeist nun erwacht ist, nicht in Marbach bleiben, sondern dürfen sich aufmachen auf eine vielversprechende Sprachreise ins ganze Land. Ein Halt am neugestalteten Hölderlinturm in Tübingen sollte dabei auf keinen Fall fehlen. Denn möglicherweise kommt man Hölderlin hier, wo er die lange zweite Hälfte seines Lebens verbrachte, am nächsten: beim Spiel mit seinen Versen, mit Silben und Worten im Sprachlabor oder durch Bewegung auf der „Gedichtlaufstrecke“ im Garten. Ein ebenso lohnender Zwischenstopp dürfte auch der Ort sein, wo alles seinen Anfang nahm: das Geburtshaus in Lauffen – am 20. März, dem tatsächlichen 250. Geburtstag Hölderlins, wird die dortige Ausstellung eröffnet.

Ob in Nürtingen, Lauffen, Tübingen, Stuttgart oder Heidelberg: Überall kann man in diesem Jahr Hölderlin begegnen. Die Vielfalt der Angebote ist nicht zuletzt der Koordination von Thomas Schmidt zu verdanken, der die Ideen aus den Hölderlin-Orten mit seinem Team zusammengetragen hat. Komfortabel gebündelt stehen nun alle Veranstaltungen im dicken, lesenswerten Programmbuch oder im Netz auf der eigens eingerichteten Jubiläums-Website, die alle Ereignisse des Jahres auch in einem Blog dokumentiert.

Diese sind nicht nur zahlreich, sondern auch vielgestaltig. Neben klassischen Lesungen u. a. mit Corinna Harfouch, Harald Schmidt und Rüdiger Safranski stehen Theateraufführungen, Vorträge, Workshops („Hölderlin in Gebärdensprache“), Begegnungen („Hölderlin meets Beethoven“) und Konzerte. Für junge Poetinnen und Poeten hält das Jahr ein Hölderlin-Musical über die legendäre Tübinger WG von Hölderlin, Hegel und Schelling bereit, dazu Podcasts und Poetry Slams beim Literatursommer der Baden-Württemberg-Stiftung.

„Und verstehe die Freiheit, Aufzubrechen, wohin er will.“ schreibt Hölderlin im Gedicht „Lebenslauf“. Mit seiner kraftvollen poetischen Sprache ist er von Baden-Württemberg aus aufgebrochen. Als einer der meistübersetzten deutschen Dichter fasziniert er heute Literaturfreunde in aller Welt. Nicht nur in Baden-Württemberg, von Japan über China bis nach Südamerika spricht man Hölderlinisch.

www.hoelderlin2020.de