Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte dem Landtag ausführlich seine Bewegggründe für die Einschränkungen dar. Foto: / Arnulf Hettrich /imago-images

Das Parlament nimmt die Einschränkungen durch die Corona-Krise nicht auf die leichte Schulter. Viereinhalb Stunden debattierte der Landtag über Grundrechte auf Freiheit und Gesundheit.

Stuttgart - Engagiert hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Vorgehensweise der Regierung in der Coronakrise verteidigt. Er verstehe den Unmut des Parlaments, doch müsse die Regierung schnell und entschlossen handeln können. „Bedenkenträgerei“ dürfe in der Pandemie nicht zum Prinzip erhoben werden. Ausführlich interpretierte er „Wort und Geist des Grundgesetzes“. Für ihn stehe das Recht auf körperliche Unversehrtheit vorne, Freiheitsrechte könnten eingeschränkt werden, wenn sie zur Ausbreitung der Pandemie beitragen, legte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung aus.

Maßnahmen verhältnismäßig

Der Regierungschef betonte, „die Kontrollrechte des Parlaments sind nicht eingeschränkt“. Die Maßnahmen verteidigte er als verhältnismäßig. „Niemand hat eine Ausgangssperre verhängt. Wir haben auch nicht einfach die Wirtschaft stillgelegt“. Einschränkungen gebe es bei Publikumsverkehr. Große Firmen hätten „von sich aus“ beispielsweise wegen Lücken in den Lieferketten geschlossen.

Die vorübergehende Einschränkung der Grundrechte sieht Kretschmann als „Nagelprobe für die Demokratie“. Er ist jedoch fest davon überzeugt, dass diese Probe bestanden wird. Die Regierung werde „schrittweise so viel Freiheit ermöglichen, wie der Schutz der Gesundheit es zulässt“. Er betonte auch, die Maßnahmen würden alle auf dem Boden des Grundgesetzes erfolgen.

Lockerungen bei Gottesdiensten

Lockerungen bei Gottesdiensten stellte Kretschmann für die kommende Woche in Aussicht. Im Freien sollen bis zu hundert Menschen zugelassen werden, wenn der Infektionsschutz gewahrt ist – zu Beerdigungen sollen 50 Gäste kommen dürfen.

Als Verteidiger der Grundrechte trat AfD-Fraktionschef Bernd Gögel auf. Er sieht das Land in Gefahr, „die Werte unserer Demokratie zu verlieren“. Die Pandemie rechtfertige die Aufhebung der Grundrechte nicht. Er verlangte, dass die Einschränkungen beendet und Kitas und Schulen wieder geöffnet werden. Das öffentliche Leben müsse sofort in Gang gebracht werden.

SPD erwartet politische Wegweisungen

SPD-Chef Andreas Stoch versicherte der Regierung die „volle Unterstützung“ der SPD. Er nannte die Einschränkungen im Land anders als die AfD „vergleichsweise moderat“. Man habe im Kampf gegen das Virus einen wichtigen Etappensieg errungen. Jetzt jedoch liege „die Zeit der schnellen Notverordnungen hinter uns“. Nun müsse die Politik wieder „einen Schritt nach vorne“ machen. Stoch erwartet von der Regierung nun „eine Perspektive, eine Richtung und einen Stufenplan“. Erste Erwartungen an die Zeit nach Corona formulierte auch Andreas Schwarz (Grüne). Er regte eine „Reregionalisierung“ der medizischen Produktion an, und will die Bezahlung etwa von Pflegekräften überdenken. Für die Kreativwirtschaft, den Gastrobereich und den Tourismus sei ein Investitionsprogramm nötig.

Dem pflichtet CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart bei. Vor allem für den Mittelstand müssten die Hilfen weiterentwickelt werden, sagte er. „Wir müssen beherzt helfen, nicht krämerisch denken“. Der AfD hielt Reinhart entgegen, 87 Prozent der Deutschen würden die Maßnahmen gegen die Pandemie mittragen.

FDP vermisst Fahrplan

Auch Hans-Ulrich Rülke, der Vorsitzende der Landtags-FDP, fordert ein Sonderkonjunkturprogramm für die Wirtschaft. Er stehe hinter den ersten Maßnahmen der Regierung. Doch inzwischen sieht er Grün-Schwarz auf Schlingerkurs. „Nun ist klar, was in diesem Lande fehlt: Ein klarer Fahrplan, wie und auf welcher Basis den Menschen die Bürgerrechte wiedergegeben werden. Und ein klarer Fahrplan, wie man die Wirtschaft wieder in Schwung bringen will.“