Rolf Heinrich, Jan Reichler, Friedrich Nagel und Werner Hofmann (v.li.) kümmern sich um die Restaurierung des Lokomobils. Es soll vor der Sportsfactory aufgestellt werden. Foto:  

Der Arbeitskreis Historisches Münster (AHM) will in eine der letzten Dampfmaschinen in Münster restaurieren. Spenden und Helfer werden gesucht.

Wo einst Dampfmaschinen, so genannte Lokomobile, gebaut worden sind und Arbeiter malochten, werden heute Muskeln trainiert. Doch wer in Stuttgart-Münster das Gebäude der Sportsfactory betritt, der stellt gleich fest, dass hier einst eine Fabrik gewesen ist. Im Trainingsbereich hängen noch große Deckenlaufkräne mit Haken, die an die Produktionshalle erinnern. Hier wurden Anfang des 20. Jahrhunderts sogenannte Lokomobile gebaut. Oben war die Dreherei und Schreinerei und unten die Montage, weiß Jan Reichler, der Inhaber der Sportsfactory. Historische Fotos an den Wänden des Fitness-Studios von Reichler erzählen die Geschichte, die der Firma Assmann & Stockder, welche hier einst das weltgrößte Lokomobil mit rund 400 PS gebaut hat.

Eines der letzten Relikte aus der Wiege des Lokomobils mit rund 40 PS, soll nun restauriert werden. Das freut auch Reichler, der den Arbeitskreis Historisches Münster dabei tatkräftig unterstützt. Sein Vater war Gesellschafter der Firma. Nach der Insolvenz hat Rainer Reichler das Firmengebäude an der Murgtalstraße aus der Insolvenzmasse gekauft. In dem einstigen Produktionsgebäude, das von außen mit seinen roten Backsteinen noch fast so aussieht wie früher, ist auch das Feuerwehrmuseum untergebracht. Durch einen Zufall hat der Feuerwehrverein von dem Lokomobil erfahren und es aus dem Sägewerk Unsöld & Haller in Steinheim an der Murr nach Münster geholt. „Das Lokomobil gehört zu den wertvollen Zeugnissen der Stuttgarter Industriegeschichte“, finden die Aktiven des Arbeitskreises Historisches Münster (AHAM) um den Vorstand Rolf Heinrich. Es ist eines der größten Projekte, das der Arbeitskreis sich vorgenommen hat. Nun gab es auch Unterstützung vom Bezirksbeirat Münster und die Verwirklichung des großen Traums rückt ein Stück näher.

Auch die Bezirksvorsteherin Renate Polinski freut sich über diese industrielle Besonderheit und dass der Bezirksbeirat kürzlich 17 000 Euro als Zuschuss für die Restaurierung und Präsentation der Dampfmaschine gegeben hat. So kann der AHM im Auftrag des Feuerwehrvereins, dem das historische Lokomobil gehört, tätig werden.

Produktionsgebäude ist heute Fitness-Studio und Museum

Auch hat die Bezirksvorsteherin vor einem Jahr im Bezirksrathaus im Eingang neben dem Sitzungssaal Platz für eine Vitrine zur Verfügung gestellt. Dort soll es wechselnde Ausstellungen geben. Derzeit befinden sich hier Ausstellungsgegenstände über die Lokomobil-Firma. Auch ein Modell der Dampfmaschine, wie sie einst ausgesehen und gearbeitet hat, ist zu sehen. Sie war im Jahr 1938 unter der Fabriknummer 3212 mit 40 PS im Sägewerk Unsöld & Haller in Steinheim an der Murr aufgestellt worden. „Dampfmaschinen wie diese sicherten im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts den Betrieb großer Textilmaschinen, Maschinenfabriken, Molkereien und Brauereien“, ist zu lesen. Die Rettung des Relikts beginnt beim Feuerwehrverein Stuttgart. Er hat das Industriedenkmal geborgen. Derzeit sichert ein provisorischer Schutz mit Planen das technische Denkmal beim Feuerwehrmuseum. So wird es spannend, wenn dann die Mitglieder des AHM die Dampfmaschine wieder herstellen. Der AHM-Vorsitzende Rolf Heinrich, Stellvertreter Friedrich Nagel und Schriftführer Werner Hofmann hoffen, dass sich noch weitere handwerklich begabte Helfer für die Restaurierung melden.

Feuerwehrverein Stuttgart hat Relikt gerettet

Und die ist nicht nur technisch eine Herausforderung, auch finanziell. Schließlich soll das historische Relikt in einen kleinen Pavillon vor das ehemalige Firmengebäude in der Murgtalstraße gestellt werden. Das Vorhaben kostet ersten Schätzungen zufolge rund 40 000 Euro. Bislang wurden laut AHM 24000 Euro Spenden zugesagt.

Auch Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte beteiligt

Die Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte ist ebenfalls an dem Projekt beteiligt. 2021 gab es von der Arbeitsgemeinschaft mit dem AHM im Stadtpalais über die Firma Assmann & Stockder eine Ausstellung unter dem Titel „Firmen.Geschichte.Stuttgart“.

Wer sich mit Spenden beteiligten will, der kann dies unter dem Spendenkonto BW Bank, DE90 600 501 010 002 977 791 unter dem Verwendungszweck Lokomobil tun. Helfer für den Arbeitskreis Historisches Münster melden sich unter ahm.muenster1@yahoo.com.

Blick in die Produktionsgeschichte

Ursprünge der Firma
Die Maschinenfabrik Firma Assmann & Stockder wurde 1872 von Gustav Bausch in Cannstatt zum Bau von Lokomotiven für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke gegründet. 1886 übernahmen Assmann und Kettner die Firma, die nach dem Eintritt von Hugo Stockder im Jahr 1898 unter dem Firmennamen Assmann & Stockder weiterbestand. Bereits im Gründungsjahr heißt es, gehörten die Lokomotiven zu den Besten, die der Markt bot. Das Unternehmen siedelte sich 1901 in Münster an. Die Firma stellte Dampfmaschinen in stationärer und fahrbarer Ausführung her. 1903 hat sie in Münster mit der Produktion in der neuen Eisengießerei und Kesselschmiede in der Murgtalstraße begonnen.

Die Lokomobilproduktion
Die Firma stellte Dampfmaschinen (Lokomobile) in stationärer und fahrbarer Ausführung her. 1903 hat sie in Münster mit der Produktion in der neuen Eisengießerei und Kesselschmiede in der Murgtalstraße begonnen. Zwischen 1906 und 1907 kam ein Büro und ein Fabrikgebäude hinzu. 1907 wurde die Fertigung von Cannstatt nach Münster verlegt. 1917 übernahm das Unternehmen die Firma Stein aus Cannstatt und produzierte dann auch noch Kältemaschinen. Nach Ende des Lokomobilbaus 1957 wurden Radiatoren und Großkälteanlagen in Münster produziert.