Letzte Vorbereitungen: Vor dem Gardetanz wird Penelope Reizis von Trainerin Stefanie Herrmann geschminkt. Foto: Felix Heck - Felix Heck

Es ist ein Traum vieler tanzbegeisterter Mädchen: Ein Tanzmariechen zu sein. Um bei den Württembergischen Meisterschaften im Gardetanz teilnehmen zu können, ist aber Fleiß und Disziplin gefragt. Auch für Penelope Reizis und Anika Calle Manda vom Cannstatter Quellenclub.

Bad CannstattDer Kabinengang der Stuttgarter Scharrena, kurz nach neun Uhr am Samstagmorgen: Noch ist die Stimmung hier ausgelassen, junge Mädchen rennen feixend durch die Gegend, hinter vielen Türen ist Musik zu hören. Vom Ernst des Wochenendes ist so früh am Morgen wenig zu spüren – dabei ist die Mehrzweckhalle heute Austragungsort der 50. Württembergischen Meisterschaften im Gardetanz.

Die Disziplin mag zwar aus dem rheinischen Karneval kommen – mit Narretei hat diese Veranstaltung dennoch wenig zu tun. Es wird um Podestplätze gezittert, es stehen Startplätze für die Süddeutschen Meisterschaften auf dem Spiel, in allen Kategorien winkt der Titel des Württembergischen Meisters. Kurzum: Niemand ist an diesem Samstagmorgen angereist, um „nur ein wenig Fasching“ zu erleben.

Wenige Stunden später ist es daher schon ruhiger auf den Gängen. In der Halle laufen gerade die Wettkämpfe der Jüngsten, als Penelope Reizis und Anika Calle Manda einen kleinen Nebenraum der Scharrena betreten. Die beiden Juniorinnen sind in der Garde des diesjährigen Gastgebers, dem Cannstatter Quellen-Club, aktiv. Beide zählen dort zu den hervorragenden Tänzerinnen und haben deshalb eine ganz besondere Ehre gemein: Neben dem Marschtanz mit der Garde stehen sie bei Turnieren auch als Tanzmariechen auf der Bühne, leben also den Traum vieler junger Tanzbegeisterter, die auf ihren Durchbruch im Gardesport hoffen.

Im Moment bedeutet der vielgehegte Traum aber vor allem Zähnezusammenbeißen: Während der Rest der Garde auf den Rängen dem Nachwuchs zujubelt, steht für die Mariechen ein letzter Probedurchlauf an. Unter den kritischen Augen ihrer Trainerin tritt zuerst Anika auf die improvisierte Tanzfläche, die sonst als Planche für Fechter des PSV Stuttgart fungiert. Gute fünf Minuten dauert ein Tanz mit Einmarsch, beim letzten „Durchtanzen“ werden nur schwierige Figuren wie der obligatorische Sprung in den Spagat ausgelassen. Schnell wird klar, hinter den leichtfüßigen Bewegungen der 14-Jährigen stecken sichtlich Schweißarbeit und Kondition. Trainerin Daniela Fuchs fordert höchste Konzentration, auf der Bühne muss später schließlich jede kleine Bewegung sitzen, um unter den kritischen Augen der Jury zu bestehen. „Eigentlich muss den Mädchen das Tanzen ohne Denken befreit von der Seele gehen“, sagt sie.

Diese Maßgabe gilt auch für Penelope Reizis, die als Nächstes zum letzten Test antritt. Die 14-Jährige wohnt in Esslingen, wo sie bereits im zarten Alter von sieben Jahren mit dem Gardetanz begann. Für sie war die Rolle als Solistin schon immer ein Traum: „Irgendwie konnte ich mir das vorstellen, seitdem ich mit dem Tanzen begonnen habe. Das ist schon noch einmal etwas anderes und hat seinen eigenen Reiz.“ Mit 11 Jahren wurde der Wunsch zur Realität: Ihre damalige Trainerin sah in Penelope das Mariechen schlummern, das sie schon immer sein wollte und nun seit dieser Saison auch unter Daniela Fuchs beim Cannstatter Quellen-Club bleiben darf.

Nach dem Gardetanz, der vor den Mariechen ansteht, tritt Penelope Reizis ein letztes Mal auf den Kabinengang – in der Halle warten rund 400 Zuschauer auf ihren Auftritt. Mit neuem Kostüm am Körper geht es für letzte Dehnungsübungen und zur Turnierpasskontrolle in den Wettkampfbereich, ehe sie nur noch die steilen Stufen zurück in die Scharrena von der Bühne trennen. „Sehr aufregend“, ist das einzige, was Penelope im Gespräch zu diesem Moment der Anspannung einfällt – nur noch wenige Minuten, dann steht sie zum ersten Mal für den Cannstatter Quellen-Club bei einer Württembergischen Meisterschaft auf der Bühne. Eine kurze Umarmung der Trainerin, ein letzter Blick in die Scharrena. Lampenfieber aus, Lächeln an. Der Tanz beginnt.

Meisterschaft

Vier Plätze auf dem Podium und eine volle Scharrena – besser hätten die 50. Württembergischen Meisterschaften für den Cannstatter Quellen-Club kaum laufen können. Den Medaillenregen für die Gastgeber eröffneten die 6- bis 11-Jährigen, die sich die Vizemeisterschaft im Marschtanz sicherten. Ihnen nach zogen später die Juniorinnen. Auch Überraschungen gab es: Lisa Kaufmann, erst seit einem Jahr Mariechen beim Quellen-Club, erkämpfte sich den 3. Platz bei den Jüngsten. Auch den dritten Platz für den Schautanz der Juniorengarde hatte keiner erwartet. Penelope (Platz 8) und Anika (Platz 11) mussten sich der starken Konkurrenz geschlagen geben. Dennoch zeigte sich zumindest Penelope mit dem erhofften Top-Ten-Platz zufrieden. fh