Das 9-Euro-Ticket füllt die Bahnen. Die Fahrt im VVS wird 2023 teurer, für 2024 droht ein noch stärkerer Aufschlag. Foto: dpa/Arne Dedert

Der Verkehrsverbund denkt weit voraus. Einiges hängt davon ab, was aus dem 9-Euro-Ticket wird.

Die Fahrgäste im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) müssen sich nach dem deutlichen Preissprung zum 1. Januar 2023 von 4,9 Prozent auf einen noch höheren Aufschlag 2024 einstellen. Mehrere Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat wollen, dass die Debatte über die Erhöhung künftig nicht nichtöffentlich in der VVS-Gesellschafterversammlung, sondern zuvor öffentlich in den politischen Gremien geführt wird. Nach der bisherigen Systematik können die Bürgervertreter die Beschlüsse der VVS-Gesellschafter nur zur Kenntnis nehmen. Im Nachhinein sind Aufschläge kaum zu korrigieren, die öffentliche Hand muss dann die Differenz ausgleichen.

Kosten bei SSB stiegen um 2,9 Prozent

Würde der Gemeinderat nur über das Erhöhungsverlangen der stadteigenen Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) sprechen, dann ginge es für 2023 um einen vergleichsweise moderaten Aufschlag. Mit einer Kostensteigerung von 2,9 Prozent seien die SSB im Jahr 2021 „am unteren Rand unterwegs gewesen“, sagte CDU-Rat Jürgen Sauer. Den VVS bilden aber 40 Verkehrsunternehmen, die laut VVS-Geschäftsführer Host Stammler 2021 mit Preissteigerungen von im Schnitt 5,17 Prozent zurechtkommen mussten. Für die S-Bahn zum Beispiel stiegen die Energiekosten 2021 um 42 Prozent, beim regionalen Busverkehr um 23 Prozent. Zwei Jahre später bilden diese Entwicklungen, aber auch zum Beispiel Tarifabschlüsse, die Basis für den neuen Ticketpreis. 2023 erreicht das Volumen rund 25 Millionen Euro.

Kommt die Nahverkehrsabgabe?

4,9 Prozent seien im Sinne des Klimaschutzes ein „falsches Signal“, sagte Christoph Ozasek (Fraktion Puls) im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats. Für das Jahr 2024 drohe aber sogar ein Aufschlag von sieben Prozent. Um das zu verhindern, müsse über die Nahverkehrsabgabe gesprochen werden, die das Land per Gesetz zulassen will. Kommunen könnten dann für Autofahrer oder -halter oder für alle Bürger eine Abgabe einführen, deren Erlös dem Nahverkehr zufließen muss. Ozasek beantragte, den 4,9-Prozent-Beschluss aus dem VVS-Aufsichtsrat zu widersprechen. Der Aufforderung folgten SPD und das Linksbündnis. Auch die Grünen sehen in der Nahverkehrsabgabe eine Lösung des Finanzierungsproblems. Im VVS-Aufsichtsrat sei man gegen die Erhöhung gewesen, nun werde man aber zustimmen, sagte Petra Rühle.

Was folgt auf das 9-Euro-Ticket

Einigkeit herrscht im Rat, dass nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets Ende August vom Bund mehr Unterstützung für den ÖPNV kommen muss. Das Ticket kostet für drei Monate 2,5 Milliarden Euro, zehn Milliarden im Jahr wäre im Bundeshaushalt kein größeres Problem, so Luigi Pantisano (Linke), zumal wenn man an diverse Autoförderungen denke. „Der Bund ist für die Frohbotschaften zuständig, wir für die Realitäten“, kommentierte OB Frank Nopper (CDU) den Vorgang. Mit den 4,9 Prozent habe man die Interessen von Fahrgästen und den VVS-Unternehmen „ausgewogen berücksichtig“, so der VVS-Aufsichtsratschef.

Jugendliche sparen ab März an die 30 Prozent

Bei der nächsten Preiserhöhung wollen SPD, Puls und Linksbündnis auch über den Sozialrabatt von derzeit 50 Prozent für Bonuscardinhaber sprechen. Ozasek regt ein Jahres-Sozialticket an. Für einen nicht unerheblichen Teil der Kundschaft, 40 Prozent, werde die Fahrt im ÖPNV ab März 2023 mit dem landesweit gültigen Jugendticket für einen Euro am Tag günstiger, erinnerte Horst Stammler. Im Schnitt sei das für diese Kunden „eine Preissenkung um 30 Prozent“.