Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier wird am Samstag 70 Jahre alt. Womöglich tritt er 2023 erneut an – amtsmüde wirkt er nicht.
Wiesbaden - Volker Bouffier kann auch anders. Im Bundesrat zeigte sich der als freundlicher Landesvater und verständnisvoller Partner der Grünen bekannte hessische Ministerpräsident vor wenigen Tagen von seiner kämpferischen Seite als CDU-Politiker: Er rüffelte in der Länderkammer den bei der Beratung des Infektionsschutzgesetzes von seiner Staatssekretärin vertretenen neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vom Rednerpodium herab für seine Abwesenheit. „Das ist eine Art des Umgangs, die ich nicht schätze. Und beim nächsten Mal wäre ich dankbar, wenn er persönlich da wäre“, ließ der dienstälteste Ministerpräsident seinem Unmut freien Lauf.
Bouffier feiert im Kreis der Familie
Am Samstag feiert Bouffier in seiner Heimatstadt Gießen den 70. Geburtstag – coronagerecht im Kreis der Familie. Mit einer Amtszeit von nunmehr zehneinhalb Jahren ist er zwar der am längsten amtierende Ministerpräsident in Deutschland. An Lebensjahren aber wird er vom 73-jährigen Grünen Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg übertroffen, und Konrad Adenauer war bei seiner Wahl zum Bundeskanzler bekanntlich schon 73. So gilt es denn als durchaus möglich, dass sich Bouffier für die nächste Landtagswahl in zwei Jahren noch einmal als CDU-Spitzenkandidat aufstellen lässt.
Sicher ist das allerdings nicht, und nach dem Debakel bei der Bundestagswahl wächst innerparteilich der Druck auf Bouffier, sich bald zu erklären. Auf keinen Fall soll es noch einmal so kommen wie in der Bundespartei, dass erst kurz vor der Wahl die Nachfolge geklärt wird. Klar ist: Wenn Bouffier auf dem Landesparteitag im Juli 2022 noch einmal als Landesvorsitzender antritt, wird er auch bei der Landtagswahl 2023 wieder kandidieren, wenn nicht, wird der neue Parteichef wohl auch Spitzenkandidat werden. Das Problem ist allerdings auch, dass seit dem plötzlichen Tod des dafür genannten Finanzministers Thomas Schäfer kaum ein geeigneter Nachfolger in Sicht ist. Zudem wirkt Bouffier alles andere als amtsmüde.
Als Innenminister galt Bouffier als „Schwarzer Sheriff“
Hatte er als Innenminister in der Regierung Roland Koch noch den Ruf eines Hardliners mit dem Spitznamen „Schwarzer Sheriff“, gilt er heute als ausgleichend und integrativ. Der von ihm Anfang 2014 gebildeten ersten schwarz-grüne Koalition in einem deutschen Flächenland war seinerzeit vielfach nur eine kurze Lebensdauer vorhergesagt worden. Doch sie wurde entgegen aller Umfragen bei der Landtagswahl 2018 bestätigt, wenn auch nur mit einer knappen Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament und mit deutlich gestärkten Grünen. Die so unterschiedlichen Parteien arbeiten auch nach fast acht Jahren noch immer geräuschlos und vertrauensvoll zusammen. Und für den Zusammenhalt nimmt Bouffier eine Schlüsselrolle ein. Sein Erfolgsrezept hat er gleich zu Beginn des Bündnisses genannt: Man solle stets bedenken, dass der jeweils andere Recht haben könnte, mahnte er und behält den Grundsatz bis heute bei.
Von einer Krebserkrankung 2019 hat sich Bouffier gut erholt. Überhaupt gehört die Zeit nach der Neubildung der schwarz-grünen Koalition zu den schwersten in seinem Leben. Im Juni desselben Jahres wurde von einem Rechtsextremisten der nordhessische Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet, der für ihn nicht nur ein Parteifreund, sondern ein persönlicher Freund war. Im Februar folgte der Anschlag eines Rassisten auf neun Menschen mit ausländischen Wurzeln in Hanau. Hinzu kam die Coronakrise, die Bouffiers Fähigkeit als Krisenmanager bis heute unablässig fordert. „Hessen bleibt besonnen“ hat er als Motto zur Bekämpfung der Pandemie gewählt und ist tatsächlich nie mit radikalen Schritten in die eine oder andere Richtung vorgeprescht, ohne aber den Eindruck von Tatenlosigkeit zu machen.
Bouffier half, Laschet durchzusetzen
Die Hoffnung, dass das hessische Modell der Zusammenarbeit von CDU und Grünen auf Bundesebene Schule machen könnte, hat sich dagegen nicht erfüllt. Das Desaster der Union bei der Bundestagswahl stand dem im Wege. Manche Kritiker in der Partei geben Bouffier sogar eine gewisse Mitschuld daran, da er zusammen mit Wolfgang Schäuble den erfolglosen Kanzlerkandidaten Armin Laschet mit durchgesetzt hatte. Als stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender hat der hessische Ministerpräsident bis heute einigen Einfluss in der Parteiführung. Ob dies so bleibt, wird sich erst nach der Neuwahl des CDU-Vorsitzenden im Januar entscheiden.