War 25 Jahre für die SPD im Rathaus: Marita Gröger. Foto: Edgar Rehberger - Edgar Rehberger

25 Jahre lang saß die Cannstatterin Marita Gröger für die SPD im Stuttgarter Gemeinderat. Dem neuen Gremium steht die 69-jährige Kommunalpolitikerin aus Leidenschaft nicht mehr zur Verfügung.

Bad CannstattAm 26. Mai wird der neue Stuttgarter Gemeinderat gewählt. Marita Gröger steht nicht mehr zur Wahl. 25 Jahre lang saß sie für die SPD im Stuttgarter Rathaus, davor viele Jahre im Bezirksbeirat Bad Cannstatt. In diesem Jahr wird sie 70 Jahre alt. Da kann man schon mal kürzer treten. Im Sommer endet ihre Zeit im Rathaus. „Jetzt wird es Zeit aufzuhören“, sagt Marita Gröger, die mit Leib und Seele Kommunalpolitikerin ist.

Wie kamen Sie in die Kommunalpolitik?
„Ich bin erblich vorbelastet. In meinem Elternhaus wurde gern über Politik diskutiert. Eigentlich war es der frühere Cannstatter Willi Schwenger, der mir den Weg in die Kommunalpolitik wies. Wir wohnten damals in der Brückenstraße in der Neckarvorstadt. Da gab es damals nichts für Kinder. Der nächste Spielplatz war am Seilerwasen. Mit anderen Eltern haben wir uns für einen Spielplatz engagiert. Es wurde dann ein kleiner Spielplatz in der Aachener Straße eingerichtet. Das war uns nicht genug. Mit zwei anderen Frauen habe ich mich zusammengetan und wir haben einen Verein gegründet, die kinderfreundliche Umwelt KifU. Daraus wurde dann der KifU-Kindertreff. Zur Vereinsgründung haben wir statt eines Stehempfangs einen Gehempfang gemacht, sind an der Pragstraße entlang gelaufen. Da haben die Gäste schnell gemerkt, was es hier für Probleme gibt.

Und der Bezirksvorsteher?
Ich war damals immer wieder zu Terminen im Bezirksrathaus bei ihm. Das war mein Einstieg in die Kommunalpolitik. Er hat mir geraten, mir eine Partei zu suchen. Das war dann die SPD, in die 1976 eingetreten bin. Ich war schnell stellvertretendes Mitglied im Bezirksbeirat, dann ordentliches Mitglied.

Der Sozialbereich war schon immer ihr Schwerpunkt?
Ja, schon von Berufswegen. Man wird in der Kommunalpolitik nicht glücklich, wenn man kein Thema hat. Das war schon immer mein Bereich. Das benachteiligte Bad Cannstatt und die unterschiedlichen Lebenssituationen. Da gab es viele prägende und beeindruckende Erlebnisse. Es hat schon geholfen, dass ich im sozialen Bereich gearbeitet und Einblicke in die soziale Lage habe.

Und die Mehrbelastung?
Bezirksbeirat, Familie und Beruf habe ich gut auf die Reihe gekriegt. Mein Mann und ich haben es gut aufgeteilt. Es war allerdings schwierig, für meine erste Tochter, die jetzt für den Gemeinderat in Bietigheim-Bissingen kandidiert, worauf ich sehr stolz bin, einen Kitaplatz zu bekommen. In Münster und im Stuttgarter Osten wurden mir Plätze angeboten. Ich habe dann den Job gewechselt wegen der Kinderbetreuung. Bei der zweiten Tochter war es einfacher. Die war in der Olgakrippe. Als Stadträtin war es schwieriger, alles unter einen Hut bekommen. Die Ausschusssitzungen gingen damals noch bis in den Mittag. Ich habe dann jobmäßig pausiert, bis die Tochter älter war. Ich wollte mein Mandat richtig machen. 1994 gab es nur drei Stadträtinnen und Stadträte, die Kinder unter zehn Jahren hatten. Da sind verlässliche Strukturen nötig.

Die gibt es jetzt?
Jetzt gibt es bei den Ausschüssen die Vier-Stunden-Regelung. Der Gemeinderat ist eigentlich nicht repräsentativ. Als Werktätiger bekommt man es nicht gebacken. Bei meinem Einstieg in den Gemeinderat saß ich neben Werner Neuffer, ein typischer Arbeitnehmer. Als freigestellter Betriebsrat konnte er das machen.

Die Arbeit als Stadträtin ist zeitintensiv.
Ja schon. Aber ich muss zugeben, ich bin aktenverliebt. Ich habe immer alle Vorlagen gelesen. Und es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und sich die Zeit zu nehmen, Seminare und Fortbildungen zu besuchen. Ich habe es immer bedauert, dass der Sozialausschuss nie unterwegs war, um vorort die Situation in mit anderen Städten zu vergleichen. Ich war daher viel privat unterwegs, habe mir beispielsweise in Holland die Demenzdörfer angeschaut oder Vorzeigeschulen in Berlin, die eigentlich gar keine waren. München etwa ist, was das Thema Altersarmut angeht, vorbildlich aufgestellt.

Wie hat sich der Gemeinderat verändert?
Es wurde oberflächlicher und plakativer. Was die AFD und die Splittergruppen in den Ausschüssen tun, ist unterirdisch. Da ist keine inhaltliche Arbeit mehr möglich. Ich bin gespannt, wie es im neuen Gemeinderat mit wohl noch mehr Splittergruppen wird. Da wird die Arbeit in den Ausschüssen noch schwieriger.

Was bleibt als Positives in Erinnerung?
Dass man Gruppen und Einzelpersonen helfen konnte. Viele scheitern an der Bürokratie. Und es ist schön zu hören, wenn gesagt wird: Wegen dir bin ich in die Politik gegangen. Mir geht und ging es immer um Menschen. Zudem wurden zwei meiner Anträge umgesetzt: Mein Einzelantrag zu „Trauungen an Wunschorten ermöglichen“. Auch der Antrag zu Einbürgerungsfeiern stammt aus meiner Feder.

In den 25 Jahren als Stadträtin haben Sie sich viel Wissen angeeignet und Erfahrungen gesammelt. Was passiert damit?
Ich kann nur anbieten, meinen Erfahrungsschatz weiter zu vermitteln.

Wie kann man Jugendliche mehr in die Kommunalpolitik bringen?
Es muss mehr Informationen an die Schulen geben. Wir müssen einfach aus unserem Alltag erzählen. Klassen sollten ab und an mal die Gremien besuchen. Man muss den Jugendlichen besser näherbringen, was wir machen. Kommunalpolitik geht nicht ohne die Betroffenen.

Der Landtag hat Sie nie gereizt?
Nein. Ich wollte immer mehr an der Basis arbeiten, direkt an den Problemen.

Wie geht es jetzt ab Sommer, wenn die Gemeinderatsarbeit vorbei ist, bei Ihnen weiter?
Ich werde dann in aller Ruhe alles sortieren. Da ist in den Jahren einiges angefallen (lacht). Und ein bisschen zur Ruhe kommen. Ich mache mir keinen konkreten Zeitplan. Ich habe ja Zeit. Es gibt diverse Ehrenamtsangebote, die ich mir genau anschaue. Vielleicht kehre ich ja auch wieder zurück zu meinen Wurzeln und gründe eine Bürgerinitiative.

Die Fragen stellte Edgar Rehberger.