Die Gouldamadine ist der bunteste Vogel in der Australien-Voliere. Quelle: Unbekannt

Klein, aber fein sind zwei geschichtsträchtige Vogelhäuser der Wilhelma jetzt nach aufwändiger Sanierung wieder voll in Betrieb.

Bad CannstattKlein, aber fein sind zwei geschichtsträchtige Vogelhäuser der Wilhelma jetzt nach aufwändiger Sanierung wieder voll in Betrieb. Eines davon dürfte nach neuestem Forschungsstand der Ort der allerersten Tiere der Wilhelma gewesen sein, lange bevor sie sich zum Zoo erweiterte. 165 Jahre nach ihrer Errichtung erstrahlen die beiden gusseisernen Schmuckkästchen neu in ihrem alten Glanz und beherbergen nun rund ein Dutzend exotische Vogelarten. Gestaltet haben die Zierpflanzengärtnerinnen und -gärtner um Meister Christian Mikoteit darin Ausschnitte eines südamerikanischen Tropenwalds zum Beispiel für Azurkopftangare, Rotfüßiger Honigsauger und Roter Kronfink sowie eines australischen Trockenwalds, in dem unter anderen Zebrafink, Gouldamadine, Ringelastrild und Diamanttäubchen leben.

Rund sieben mal sieben Meter breit und 6,5 Meter hoch, unterteilen die denkmalgeschützten Kuppelhäuser von 1854 die historische Gewächshauszeile beidseits des großen Wintergartens. Sie sind auch bei rauem Wetter trockenen Fußes und angenehm temperiert direkt vom Eingang zu erreichen. Darauf hatte schon König Wilhelm I. von Württemberg Wert gelegt. Ihre besondere Bedeutung beruht darin, dass sie wie kaum eine andere Stelle auf dem Gelände den Dreiklang verkörpern, der die Wilhelma als Zoo und Botanischer Garten in dem einst royalen Anwesen einzigartig macht. Denn ursprünglich hatte der adlige Bauherr mit dem nach ihm benannten Refugium andere Pläne. Zunächst dienten die im maurischen Stil erstellten Prunkbauten als Badehaus mit Mineralwasserquelle und dem privaten Vergnügen des Monarchen. Der umgab sich gerne mit einer wachsenden Zahl von exotischen Pflanzen wie den Kamelien und ließ dafür Gewächshäuser bauen. Dafür ließ er eigens die hierzulande noch nicht verbreitete Gusseisen-Technik aus England importieren und in einem Werk in Wasseralfingen, was heute Teil der Stadt Aalen ist, fertigen.

Startschuss für Zoo erst später

Die Gewächshäuser bildeten den Ausgangspunkt für den späteren Botanischen Garten. Doch von Tieren fand sich in der Wilhelma damals keine Spur. Sogar die Menagerie mit wilden Tieren, die sein Vater Friedrich I. bei einem Landschlösschen in der Nähe des heutigen Neckartors unterhielt, ließ Wilhelm auflösen. Der eigentliche Startschuss zum Zoo kam erst viel später durch Tierschauen. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wollte Direktor Albert Schöchle den Park damit wieder attraktiver machen und behielt die tierischen Hauptdarsteller nach den Ausstellungen jeweils auf Dauer.

Die Entwicklung der Wilhelma vom Ursprung bis heute ist immer noch nicht vollständig erforscht. Bei Recherchen in der Korrespondenz des königlichen Hofs fand Björn Schäfer, Leiter des Fachbereichs Botanik, jedoch Rechnungen, wonach sich Wilhelm I. just in einem dieser beiden Kuppelhäuser Volieren für tropische Vögel einrichten ließ. Die allerersten Tiere der Wilhelma dürften demnach Geschenke der Frau des württembergischen Konsuls in Amsterdam, Emil von Kirdelen, gewesen sein. Per Königlichem Dekret veranlasste Wilhelm 1854 die Anschaffung von Papageienständern und größeren Käfige für die aus den Niederlanden angekommenen Vögel. Welche Arten dies waren, bleibt im Dunkeln.

Inka-Kakadu für 250 Goldmark

Belegt ist ein konkretes Tier erstmals in einem Schriftstück an Wilhelm I. vom 14. Juni 1861. Darin heißt es: „Der rosafarbene Papagay, welchen auf Befehl Seiner Königlichen Majestät ich zu bestellen hatte, ist gestern angekommen.“ Hierbei handelte es sich um einen in Australien beheimateten Inka-Kakadu , der für 144 württembergische Gulden – knapp 250 Goldmark – den Weg in die Wilhelma fand. Das zweite Kuppelhaus ließ der König unterkellern, um dort ein beheizbares Becken einzurichten, in dem er die Riesenseerose Victoria regia kultivieren konnte. Ein eigenes großes Gewächshaus für diese florale Liebe des Königs hatte sein Kämmerer aus Kostengründen nicht durchgehen lassen.

Um das Kulturerbe zu bewahren, galt es, beide Kleinode im authentischen Baustil mit den ursprünglichen Materialien zu erhalten. „Die Planungen hatten 2015 begonnen“, so Helmut Gekeler vom Fachbereich Technik der Wilhelma. Die Bausubstanz war zu durchleuchten und bewerten, bevor in Absprache mit dem Denkmalamt entschieden wurde, was vom porös gewordenen Sandsteinsockel zu retten war. „Erhalten geht vor Ersetzen: Das galt genauso für die Eisenguss-Konstruktion“, betont Gekeler. „Sie basiert auf einem Baukastenprinzip, das ohne Schrauben nur mit Zapfen und Verspannungen auskommt. Wir haben sie komplett zerlegt, von einer Fachfirma in der Werkstatt restaurieren lassen und Stück für Stück wieder zusammengesetzt. Dieses 3D-Puzzle bestand pro Haus aus 1244 Einzelscheiben aus vier Millimeter dickem Kathedralglas.“ Jede Scheibe musste einzeln eingepasst werden, weil sich die Verstrebungen über die Jahrhunderte verzogen hatten und der spröde Grauguss sich nicht biegen lässt, ohne zu brechen.

Bundesweit finden sich kaum noch Firmen, die sich mit der denkmalgerechten Bearbeitung auskennen. So wurden zum Beispiel die historischen Streben mit Trockeneis bestrahlt, um sie schonend von Rost und Lackresten zu befreien ohne den Materialverlust, wie er beim Sandstrahlen auftreten würde. Der Wiederaufbau benötigte pro Haus 20 Tage und das Einglasen noch einmal. Der Innenausbau dauerte jeweils einen weiteren Monat. Nach zwei Jahren erklingen jetzt wieder exotische Vogelstimmen an historischer Stelle – wie erstmals vor 165 Jahren. uli