Im Freundeskreis wird zugehört und diskutiert. Foto: dpa/Felix Kästle - dpa/Felix Kästle

Vor 25 Jahren gründete sich der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Bad Cannstatt. Seitdem finden jeden Dienstag Treffen statt. Jetzt wird Jubiläum gefeiert – ohne Alkohol. Die Gruppe gibt Halt und vermittelt.

Bad CannstattDen Tag, an dem sie zum letzten Mal Alkohol getrunken haben, wissen sie noch ganz genau. Bei Edmund Schaupp war es der 21. September 1994, bei Heinrich Götzl war es der 28. November 1994. Bei Schaupp war es ein Autounfall. „Mir ist eine Frau ins Auto gefahren.“ Er hatte als Spiegeltrinker Alkohol im Blut. Götzl, inzwischen 76 Jahre alt, hatte jahrelang seine Frau vertröstet, immer wieder Trinkpausen eingelegt und mehrere Anläufe unternommen, trocken zu werden. Schließlich landete er bei ambulanten Therapie der evangelischen Gesellschaft (EVA). „Das hat so gutgetan. Ich habe gemerkt, ich bin mit meinem Problem nicht allein.“ Am besagten Tag hat er seiner Frau gesagt: „Ich probier’s.“ Der gelernte Maler und Lackierer war da bei einem Kasten Bier pro Tag.

Auch Schaupp kam zur Erkenntnis, „ich muss was tun, ich habe Probleme“. Der Schreiner war ständig „auf Strom“. Ein Bier zum Vesper, in den Kaffeepausen, zu Mittag, nach Feierabend. „Ich habe getrunken, nicht weil es mir schmeckte, sondern weil der Körper es forderte.“ Götzl und Schaupp haben die körperliche Entgiftung selbst durchgeführt. „Das war gefährlich, würde ich nicht mehr machen“, beschreibt Götzl. Sie empfehlen den Gang zur Klinik. Entscheidend: Der Wille müsse da sein. „Es muss von dir kommen.“

Kurz darauf waren beide der Gründung des Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe Bad Cannstatt beteiligt. Am 28. Februar 1995 war das erste Treffen, im Blumhardt-Gemeindehaus. Seitdem finden jeden Dienstag von 19 bis 21 Uhr Treffen statt. Seit 2014 im Pfarrsaal des Luther-Gemeindehauses in der Emser Straße 9. Das 25-jährige Jubiläum des Freundeskreises wird gefeiert – mit Kaffee, Kuchen und alkoholfreien Getränken, zu dem auch Gäste, Wegbegleiter und Unterstützer eingeladen sind. Der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe gehört dem entsprechenden Landesverband an, wird von der Beratungs- und Behandlungsstelle der EVA und der Kreisdiakoniestelle Bad Cannstatt unterstützt.

Die Gruppe ist nicht nur für Menschen mit Alkoholproblemen offen. Auch medikamenten- und drogenabhängige Personen finden hier Ansprechpartner. Beim überwiegenden Teil der Gruppe, die aus Männern und Frauen aus allen Altersgruppen besteht, ist Alkohol das Problem. Götzl und Schaupp haben eine Ausbildung zum freiwilligen Suchtkrankenhelfer absolviert. „Wir sind offen für alle.“ Die Gruppe fängt auf, wenn es zu Rückfällen kommt. „Der Freundeskreis schützt davor nicht“, gibt Schaupp ganz offen zu. Auch nach 30 Jahren Abstinenz könne es dazu kommen. Der Freundeskreis kann auffangen, vermitteln und Hilfe geben. Es wird in offener Runde gesprochen, jeder kann sich einbringen. Außer „Bettgeschichten und Politik“ ist jedes Thema möglich. „Ziel ist, dass jeder zufrieden nach Hause geht und abstinent bleibt.“

Zehn Freundeskreis-Gruppen gibt es in Stuttgart, 99 in Baden-Württemberg. „Wir sind gut vernetzt“, sagt Schaupp. Die Gruppentreffen haben ihre Rituale. Der Stuhlkreis ist um eine Kerze in der Mitte formiert. Dann wird aus einem Buch mit 365 Tagesgeschichten vorgelesen. „Das passt fast immer zur Stimmung.“ Dann erzählt jeder, wie er die Woche erlebt, was ihn bewegt hat, geht es in die Diskussion über. Der Kontakt geht auch außerhalb der Gruppe weiter. „Mir hat die Gruppe das Leben gerettet“, gesteht Götzl. Nach dem Tod seiner Frau hätte er sich sonst zu Tode getrunken.

Infos zum Cannstatter Freundeskreis erteilt Edmund Schaupp, Telefon 42 37 90.