Kultusmin Foto: Kuhn Mathias - Kuhn Mathias

Erst im Januar dieses Jahres wurde Martin Bizer als Rektor des Untertürkheimer Wirtemberg-Gymnasiums in den Ruhestand verabschiedet. Nun will der 64-Jährige Präsident des VfB Stuttgart werden.

UntertürkheimGerade einmal knapp neun Monate hat Martin Bizer seinen Ruhestand im beschaulichen Korb im Remstal genossen. Nun will der frühere Rektor des Untertürkheimer Wirtemberg-Gymnasiums Präsident des VfB Stuttgart werden. Als der Vereinsbeirat des Fußball-Zweitligisten am Freitag die Shortlist mit den vier verbliebenen Kandidaten bekannt gab, stand auch Bizer darauf.

Der pensionierte Studiendirektor hielt seine Bewerbung bis zum Schluss geheim. Ohne großes Aufhebens hat er sich still und heimlich in Position gebracht und steht nun sozusagen im Halbfinale im Rennen um den Präsidentenstuhl. Und auch jetzt möchte er sich nicht zu seinen Plänen und seiner Strategie für den Cannstatter Traditionsclub äußern. „Das ist mit dem Vereinsbeirat so abgestimmt und mein Ehrenwort werde ich nicht brechen“, betont Bizer vor der zweiten Gesprächsrunde mit den VfB-Verantwortlichen, die bis zum 7. November entschieden haben wollen, auf welche beiden Kandidaten sie sich für die Jahreshauptversammlung am 15. Dezember festlegen. Einzig, dass ihm die Liebe zum VfB bereits in die Wiege gelegt wurde, daraus macht der 64-Jährige keinen Hehl: „Das ist in der Familien-DNA fest verankert“.

Visionär mit Ecken und Kanten

Die zurückhaltende Art kommt für viele Menschen in den Oberen Neckarvororten ein wenig überraschend. Ist Bizer doch gerade hier bekannt wie ein bunter Hund. Schließlich war der Studiendirektor 15 Jahre lang für die Geschicke des Wirtemberg-Gymnasiums verantwortlich und hat sich in dieser Zeit den Ruf als „Visionär mit Ecken und Kanten“ erarbeitet, wie ihn zahlreiche Weggefährten bei seiner offiziellen Verabschiedung bezeichneten. Durch seine vorausschauende Art erkannte er Möglichkeiten früher als andere und verfolgte seine Ziele vehement. Als wie von VfB-Ehrenspielführer Guido Buchwald die letzten vier Präsidentschafts-Kandidaten bezeichneten Opportunisten und Ja-Sager lässt sich Bizer nur sehr schwer beschreiben. Denn ein Blatt vor den Mund hat er nie genommen, um seine Ziele zu realisieren.

Unter anderem setzte er als eine seiner ersten Amtshandlungen den Ausbau der Cafeteria durch, das heutige Herzstück der Schule. In nur eineinhalb Jahren, anstatt wie von vielen Experten prognostiziert, in mindestens vier Jahren. Der Abriss der alten Pavillons und der Neubau am Neckarkanal, der vom Wiggy und der Linden-Realschule gemeinsam genutzt wird, war ein weiterer Meilenstein seiner Amtszeit. Und bis zuletzt wehrte sich gegen das Schulentwicklungsprogramm für die Oberen Neckarvororte, da er durch einen gymnasialen Standort am Steinenberg in Hedelfingen „sein“ Wiggy bedroht sah.

Dass Bizer trotz seiner Hobbys – er fährt gerne Ski und spielt Tennis – mit der Aufgabe als VfB-Präsident einfach der Langeweile als Pensionär entkommen wolle und ins Rampenlicht drängt, wie Spötter behaupten, wäre dennoch zu kurz gedacht. Erfahrungen als Funktionär hat Bizer als langjähriger Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbunds (STB) gesammelt.

Von 2000 bis 2012 war er zunächst für den Breitensport und später für den Spitzensport verantwortlich. In seiner Zeit investierte der STB in hochkarätige Trainer wie Valeri Belenki und Top-Trainingsstätten wie das Kunst-Turn-Forum Stuttgart. Rahmenbedingungen die sich auszahlten: Bei den Olympischen Spielen 2012 in London kamen 11 von 19 deutschen Turnern aus schwäbischen Vereinen oder STB-Zentren. So auch Marcel Nguyen, der im Mehrkampf und am Barren Silber holte. Wirtschaftspolitische Einblicke in die Sportwelt erlangte Bizer zudem als Mitglied im Landesausschuss für den Leistungssport, dem höchsten Gremium des Landessportverbands zur Förderung des Sports und von Talenten.

Dietrich-Gegner als Nachfolger?

In den Oberen Neckarvororten bleibt indes mehr in Erinnerung, dass er es auch Verstand als Schulleiter die optimalen Rahmenbedingungen für Spitzensportler zu schaffen. Die Liste der Nachwuchstalente des deutschen Fußballs, die das Wirtemberg-Gymnasium besuchten, ist lang: Nationalspieler Timo Werner, die heutigen FC-Bayern-Leistungsträger Joshua Kimmich und Serge Gnabry oder der inzwischen beim PSV Eindhoven tätige Timo Baumgartl, VfB-Mittelfeldakteur Daniel Didavi sowie Leverkusen-Torhüter Bernd Leno. In der Eliteschule des Sports und Fußballs finden junge Top-Athleten optimale Bedingungen, um Unterricht und Sport miteinander zu vereinbaren.

Dabei schreckte Bizer auch nicht vor einer Konfrontation mit dem damaligen VfB-Präsidenten Wolfgang Dietrich zurück, als der VfB 2017 beschloss, eine Kooperation mit der Kolping-Akademie in Fellbach zu bevorzugen. Nach vehementem Widerstand auch mit Hilfe des Kultusministeriums ruderte Dietrich letztlich zurück und überließ den Eltern die freie Wahl, ob sie ihre Kinder weiter auf das staatliche Wirtemberg-Gymnasium schicken wollen. Und auch jetzt könnte Dietrich das Nachsehen haben, wenn Bizer wirklich sein Nachfolger werden sollte.

Zur Person

Martin Bizer wurde am 17. Oktober 1955 in Korntal geboren. Nach dem Abitur folgte das Studium in Englisch und Sport, zwischenzeitlich war er auch ein Jahr am College in den USA. Nachdem Referendariat war Bizer von bis 1995 als Lehrer für Englisch und Sport am Salier-Gymnasium in Waiblingen tätig. Im Anschluss bis 2003 folgte die Berufung ins Oberschulamt nach Stuttgart. Von 2003 bis zu seiner Pensionierung im Januar 2019 war der 64-Jährige 15 Jahre lang Rektor am Wirtemberg-Gymnasium in Untertürkheim. Zudem fungierte er von 2000 bis 2012 als Vize-Präsident des Schwäbischen Turnerbundes unter war dabei zunächst für den Breiten- und später für den Spitzensport verantwortlich.

Bizer wohnt in Korb im Remstal. Mit seiner Frau Andrea hat er die Söhne Daniel (27 Jahre) und Benjamin (25). Sein Sohn Daniel ist auch bekannt als Kinderstar im Fernsehen. Er spielte einst in der in Bad Cannstatt angesiedelten ARD-Krimiserie „Ein Fall für B.A.R.Z.“ die Hauptrolle.

Bizer ist von Jugend an sportlich aktiv und spielt bis heute gerne Tennis und fährt Ski. Daher ist er auch Präsident des Tennisclub Korb. ale