Bad CannstattDer gebürtige Cannstatter Autor Michael Haas hat ein neues Buch geschrieben: „Die Augen meiner Tochter“. Anstoß gab für ihn Kafkas „Brief an den Vater“. Er rückt die Tochter in den Mittelpunkt der Novelle. Der 53-Jährige sagt: „Die essentielle Rolle der Kinder wird oft vernachlässigt.“ Dem hilft er ab mit einem Werk, welches mehr ist als nur ein Gegenentwurf zu Kafkas „Brief an den Vater“. Kafka, der unter seinem autoritären Vater sehr gelitten hat, dass er ihm in diesem Brief seine Gedanken schreiben musste, weil er Angst vor ihm hatte.
Haas Novelle ist eine philosophisch tief durchwirkte Geschichte, die zeigt, wie eine vollkommene Eltern-Kind-Beziehung sein und was sie für positive Kräfte freisetzen kann. Im Buch geht es um den 50-jährigen Psychotherapeuten Clemens, der eine existenzbedrohende Diagnose erhält, er ist todkrank. Nun kommt die Frage, wie geht er damit um und mit seiner Familie, seiner Frau und Tochter. Wächst die Familie zusammen oder zerbricht sie?
Es ist die Geschichte des sich ideal Verstehens einer kleinen Familieneinheit: Vater, Mutter, Kind. Das Buch zeigt eine Imagination, wie diese Einheit vollkommen wäre. Es greift die Emotionen auf, die der Titelheld erfährt und durchleidet, durchdenkt, glaubhaft, fesselnd und berührend beschrieben. Es ist ein Nachdenken über die Liebe und wie vielfältig sie ist, wie inspirierend und dass sie mit dem Tod nicht zu Ende ist.
„Es ist ein Bekenntnis zur Schönheit bis zum Schluss“, sagt der Autor. Eine Hommage an die Schönheit und Liebe. Haas gelingt es, auf eine eindringliche, tiefschürfende und packende Weise und in einer außergewöhnlichen Sprache zu beschreiben, dass die schreckliche Nachricht des bevorstehenden Todes nicht zum Vehikel wird und die Beziehungen in der Familie zerstört, sondern dass die Beziehungen weiterleben. Sie zerbrechen nicht am Tod des Vaters.
In vielen Erinnerungen eingeflochten erfährt der Leser Stück für Stück wichtige Stationen des Titelhelden. Wie er erlebt, dass die Ärzte ihm nicht die Wahrheit sagen wollen und wie er sich bewusst allein in diese Situation sich begibt, um seine Lieben zu schützen. Die wissen, wie es um ihn steht. Die Augen der Tochter. Sie sieht intuitiv, ohne dass viel gesprochen werden muss. Die Mutter ebenso, sie hält alles zusammen.
Der Leser wird unmerklich hineingezogen in das emotionale Geschehen, wie Clemens selbst durch die Krankheit bedingte Ausfälle hat, plötzlich nichts mehr sieht. Die Welt wird dunkel für ihn. Doch das Erzählte endet nicht negativ. Vielmehr gibt es Anstöße für das eigene Erleben. Glück ist für den Autor „die Gewissheit um die Schönheit“. Haas, keiner Religion zugehörig, sagt „Für mich ist alles göttlich“. Er ist kein Freund von Religionen. Auch die Mutter respektive Frau rückt in den Mittelpunkt der Erzählung „Ohne sie würde das System kollabieren.“ Die Mutter bildet das Fundament für die Tochter in dem Buch. Haas weiß um die Stärke und Resistenz von Frauen und schätzt diese hoch ein. Dennoch hält er es für falsch, die Erziehung exklusiv Frauen zu überlassen.
Der Auftrag der Eltern sei, „aus Herzensbildung und Bildung Stärken beim Kind zu bilden und die Fragilität der Kinder zu schützen“. Im Buch gelingt es der Tochter, ihren Weg zu finden. Stütze geben ihr dabei ihre Elternteile. Jedes in der richtigen Form aus der jeweiligen Lage heraus, voller Liebe.
Haas selbst hat eine existenzielle Erfahrung gehabt. Seine Tochter freut sich über das Buch und ist sehr glücklich. „Sie versteht es besser, als ich selbst“, sagt er. Das Buch ist eine Ermutigung, nicht zu zerbrechen. Es schenkt Hoffnung, dass es Ewiges, gibt, was bleibt, auch wenn ein Mensch von der Erde geht. Es bleiben Schönheit und Liebe.
Michael Haas ist promovierter Literaturwissenschaftler, Autor wissenschaftlicher Aufsätze, 2017 schrieb er „50 – Liebe und Schatten. Männer betrügen Frauen – Frauen betrügen sich selbst.“
Michael Haas: Die Augen meiner Tochter, Edition Outbird, 230 Seiten, 12 Euro.