Runde für Runde steigern die AWS-Fahrer im Slalomparcours die Geschwindigkeit. Foto: Sebastian Steegmüller - Sebastian Steegmüller

Der ACE veranstaltet auf dem Wasen ein Fahrsicherheitstraining für AWS-Mitarbeiter

Bad Cannstatt Egal ob Vollbremsung auf nasser Fahrbahn oder rückwärts rangieren in einer schmalen Gasse – so mancher Autofahrer würde schon bei diesen Aufgaben an seine Grenzen stoßen. Die Herausforderung steigt jedoch um ein Vielfaches, wenn man sie in einem Müllwagen, einem Streufahrzeug oder einer Kehrmaschine bewältigen muss. Schließlich wiegen die orangefarbenen Ungetüme des städtischen Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) leer bis zu elf, voll beladen je nach Modell sogar an die 26 Tonnen.

Wie sich solch ein Fahrzeug in einer Extremsituation verhält, erfahren derzeit rund 40 AWS-Mitarbeiter, die auf dem Cannstatter Wasen an einem Fahrsicherheitstraining teilnehmen. Besonders spektakulär ist die Übung zum Abschluss eines Tages: Dann gilt es, bei Tempo 30 voll in die Eisen zu steigen. „Die Fahrer sind überrascht, wie schnell ihre Lastwagen auf trockener Fahrbahn zum Stehen kommen“, sagt Michael Schicktanz vom Auto Club Europa (ACE). Noch größer würden die Augen jedoch werden, wenn es dann auf die nasse Gummimatte geht und sich der Bremsweg deutlich verlängert, so der Fahrsicherheitstrainer weiter. Mithilfe der bewässerten Kunststoffunterlage könne man die Fahrt auf rutschigem Kopfsteinpflaster oder einer dünnen Schneedecke simulieren. Um den Schwierigkeitsgrad während der Vollbremsung weiter zu erhöhen, müssen die AWS-Fahrer zum großen Finale noch einem Hindernis ausweichen.

Mit Fingerspitzengefühl um die Pylonen

Bevor es jedoch auf die Gummimatte geht, dürfen die Teilnehmer ihr Fingerspitzengefühl unter Beweis stellen und ihre Fahrzeuge im Schritttempo durch Engstellen – in der Übung Pylonen – lenken oder auf einem abgesteckten, sehr kleinen Rechteck umdrehen. Gerade in Innenstädten durchaus realistische Szenarien. „Wenn Autofahrer ihren Wagen weit weg vom Gehweg abstellen oder rücksichtlos im Kreuzungsbereich parken, ist mit einem Lastwagen schnell Schluss“, sagt Schicktanz, der das Verhalten mancher Verkehrsteilnehmer nicht nachvollziehen kann. „Wenn die Feuerwehr oder ein Rettungswagen deshalb im Notfall nicht durchkommt, wird es kritisch.“

Dass mal ein Hütchen bei den Übungen umgefahren wird, ist die Ausnahme. Die AWS-Mitarbeiter sind mit großem Eifer bei der Sache. „Sie machen wirklich gut mit“, sagt Peter Friedrich, der ebenfalls beim ACE Fahrsicherheitstrainer ist. Nicht jede Gruppe würde so konzentriert zu Werke gehen. Wenig verwunderlich. Berufskraftfahrer sind verpflichtet, alle fünf Jahre an insgesamt fünf solcher Module teilzunehmen, um ihren Führerschein zu behalten. Nicht jeder Arbeitgeber übernimmt jedoch die Kosten für die Kurse, außerdem muss so mancher Brummi-Fahrer samstags oder sonntags ran. „Nach einer Woche auf dem Bock haben sie dann in ihrer Freizeit verständlicherweise keine Lust mehr darauf“, so der 59-Jährige.

Den toten Winkel minimieren

Schaden kann ihnen das Training mit Sicherheit nicht. „Wir wollen den Teilnehmer nicht das Fahren beibringen, sondern sie für mögliche Gefahren und kritische Situationen im Verkehr sensibilisieren“, sagt Schicktanz. Über die Jahre würden sich Fehler einschleichen. Beispielsweise beim Einstellen der Spiegel. Schon kleine Veränderungen haben hier große Auswirkungen auf den toten Winkel. „Früher war die Vorgabe, dass man zu einem Drittel das Fahrzeug sieht und zu zwei Drittel die Straße. Heute ist das Verhältnis eins zu zehn“, so der 51-Jährige. Vereinfacht heißt das, so viel Fahrbahn wie möglich.

Kein Schlendrian akzeptieren die beiden Fahrsicherheitstrainer, die zugleich Fahrlehrer in allen Klassen sind, auch beim Halten des Lenkrads. Tabu sei der sogenannte „Tellerwäscher“, also das Lenken mit der flachen Hand. „Wenn man am Steuer schnell reagieren muss, kann die richtige Position der Hände und Arme entscheidend sein“, sagt Friedrich, der immer wieder per Funkgerät Anweisungen in die Führerhäuser durchgibt. Spätestens auf dem Slalomparcours verstehen die Teilnehmer, von was die Experten sprechen. Sobald das Tempo erhöht wird, müssen sie richtig zupacken, um die Fahrzeuge sicher um die Pylonen zu lenken.

Meist nur Bagatellschäden

Eine Übung, die den Teilnehmern auf dem Cannstatter Wasen sichtlich Spaß macht. Schließlich ist es ihnen im Berufsalltag nicht möglich, ihr Fahrzeug auch mal „sportlicher“ zu bewegen. Axel Tadix, der stellvertretende Leiter der AWS-Betriebsstelle Türlenstraße und zuständig für die Disposition von 32 Fahrzeugen, begrüßt das Fahrsicherheitstraining ausdrücklich. „Es ist gut, dass unsere Jungs mal richtig auf die Bremse treten dürfen und spüren können, wie sich das ABS einschaltet.“ Normalerweise würden sie nur selten in diesen Grenzbereich vorstoßen. „Zum Glück. Ich kann mich in den vergangenen Jahren an keinen schweren Unfall erinnern, nur an Bagatellschäden.“