150 anstatt 100 Sammelfahrzeuge sollen nach der Erweiterung durch die Einfahrt des Betriebshofs in der Burgholzstraße fahren. Foto: Nagel - Nagel

Die Abfallwirtschaft Stuttgart muss ihren Betriebshof in der Türlenstraße aufgeben. Teile der Mitarbeiter und des Fuhrparks sollen in der Burgholzstraße in Münster auf dem dortigen AWS-Betriebshof verlegt werden.

Bad Cannstatt Thomas Hess, Chef der Stuttgarter Abfallwirtschaft (AWS), ist nicht zu beneiden. Er muss seinen größten Betriebshof in der Türlenstraße in der Innenstadt bis spätestens 2023 aufgeben. Der Gemeinderat hatte schon vor einigen Jahren beschlossen, dass hier hochwertiger Wohnungsbau realisiert werden soll. Das Problem: „Im gesamten Stadtgebiet haben wir keinen Ersatzstandort gefunden“, so Hess im Bezirksbeirat Bad Cannstatt, als er – wie auch schon in Wangen und Münster – Werbung für seine einzig verbliebene Lösung machte. Denn 65 bis 70 Prozent der Betriebseinrichtung aus der Türlenstraßen sollen in die Gingener Straße verlagert werden, etwa 15 Prozent in die Burgholzstraße und der Rest auf die Fildern. Offene Türen rannte der Abfall-Chef nicht ein, in Münster zeigte ihm der Bezirksbeirat mehrfach die Rote Karte. Die Begründung: zu viel Müllfahrzeuge, die dann auf den Straßen im Stadtbezirk unterwegs seien.

Auch die Wangener, die am meisten von der Standtortrochade betroffen sind, gingen auf die Barrikaden. Allerdings stimmte der Bezirksbeirat nach mehreren Sitzungen – bei einer war sogar der zuständige Bürgermeister Dirk Thürnau zugegen – zu; aber nur mit dem Zugeständnis der AWS, dass Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände parken müssen. Dort kann Thomas Hess also fast 70 Prozent seines Betriebshofs aus der Türlenstraße unterbringen. Die Kosten sind gewaltig, fast 15 Millionen Euro verschlingt die Standorterweiterung in der Gingener Straße.

Ganz so teuer soll es in Münster nicht werden. Da sich die AWS-Verantwortlichen jedoch für eine Neubebauung entschließen mussten, werden hier dennoch nochmals gut 11,5 Millionen Euro fällig.

Die Neubauvariante besteht im Wesentlichen aus einem vierstöckigen Verwaltungsgebäude, in dem sich Sozialbereiche, Büros und Kantine befinden. „Ob es Untergeschosse geben wird, muss noch geprüft werden“, so Hess. Die Abfallsammelfahrzeuge sind in einem kompakten, riesigen Carport untergebracht, in dem die Fahrzeuge dreireihig hintereinander parken. Diese Lösung war dem AWS-Chef wichtig, da seine Fahrzeuge beim Rückwärtsfahren aus Sicherheitsgründen den lästigen Warnton von sich geben. Zudem gibt es einen abgeschlossenen Bereich für Fahrzeuge, die zwingend frostfrei abgestellt werden müssen. „Der Neubau für 173 Mitarbeiter und 47 Sammelfahrzeuge muss spätestens 2023 fertig sein“, sagt Thomas Hess. Dass sich die Anzahl der Fahrten erhöhen wird, liegt auf der Hand. Allerdings bewegen die sich laut AWS mit rund 150 anstatt 100 pro Tag im Rahmen. Der Mitarbeiterverkehr wird sich um etwa 35 Zu- und Abfahrten erhöhen. Im Vergleich zu dem benachbarten Wertstoffhof mit durchschnittlich 250 bis 300 Anlieferungen pro Tag – an Spitzentagen sogar bis zu 700 Kunden – ist dieser Wert laut AWS überschaubar.

Was Lärmemissionen angeht, so gab es zwar eine erste schallschutz-technische Einschätzung durch ein Expertenbüro mit positivem Ergebnis, dennoch werde laut Hess im Rahmen des Genehmigungsverfahrens noch ein ausführliches Gutachten erstellt und – falls nötig – Lärmschutzmaßnahmen ergriffen. Auch Geruchsbelästigungen schließt der AWS aus, da die Sammelfahrzeuge nicht nur regelmäßig gereinigt werden, sondern auf der Betriebsstelle nur leer abgestellt werden. Zudem werden weder Altpapier, Restabfall, Bioabfall oder Sperrabfall zwischengelagert oder umgeladen. Die CDU sieht diese Lösung als nötig und stimmte genauso zu wie die anderen Fraktionen. Allerdings legten die Grünen großen Wert auf Dachbegrünung und Solaranlagen.

Und Münster? „Der Bezirksbeirat lehnt nach wie vor das AWS-Vorhaben ab“, sagte Bezirksvorsteherin Renate Polinski. Da die Verlagerung des Standorts jedoch vom Technikausschuss schon beschlossen sei, müsse man sich jetzt über die Gestaltung verständigen. Dabei hat der Bezirksbeirat konkrete Vorstellungen und fordert unter anderem geeignete Maßnahmen, damit die gleichen Schallschutzwerte wie bei der zuerst geplanten Anbaulösung erreicht werden und keine Verschlechterung eintritt. Zudem bitten die Fraktionen um aktuelle Verkehrszahlen vom Knotenpunkt Löwentor-, Burgholz-, Bottroper Straße. Denn die zuletzt vorgestellten Zahlen würden aus dem Jahr 2012 stammen.