Herbstblues wird aus medizinischer Sicht als Seasonal Affective Disorder (SAD) eingestuft. Foto: Unsplash/Tony Tran

Die Blätter fallen, die Temperaturen sinken und Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Müdigkeit nehmen Überhand. Aber warum eigentlich? Der Stuttgarter Diplompsychologe Oliviero Lombardi erklärt, warum wir im Herbst gefühlt melancholischer sind und was man dagegen tun kann.

Wenn die Tage kürzer werden, die Temperaturen sinken und alles Grau in Grau ist, drückt das bei vielen Menschen gehörig auf die Stimmung. In der Fachsprache spricht man auch von Seasonal Affective Disorder, kurz SAD genannt. Aber wieso sind wir in der kalten Jahreszeit eigentlich so anfällig für Stimmungstiefs?

Der Stuttgarter Diplompsychologe Oliviero Lombardi erklärt im Interview, wann die Traurigkeit eine Depression ist, warum Melancholie auch etwas Gutes hat und wie wir am besten damit umgehen können.

Herr Lombardi, sind wir im Herbst (gefühlt) melancholischer?

Ja, wir sind im Durchschnitt tatsächlich im Herbst melancholischer, die Sonnen- und damit die Lichtstunden werden weniger und Licht hat nun Mal einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden des Menschen. Der Herbst ist die Zeit des Vergehens: Das Laub fällt, Felder und Obstwiesen sind abgeerntet und es wird merklich kälter. Da Menschen noch ein Stück weit in Abhängigkeit von der Natur leben, wirken die verschiedenen Jahreszeiten eben unterschiedlich.

Aber nicht jeder fühlt dann Melancholie?

Letztlich kommt es darauf an, was jemand mit dem Herbst verbindet. Für manch einen ist es die liebste Jahreszeit, zum Beispiel wegen der schönen Herbstfärbung oder weil es einfach nicht mehr so heiß ist. Vielleicht trinkt man gemütlich, in eine Decke gewickelt, das erste Mal wieder in diesem Jahr einen Tee oder macht den Kaminofen an. Diese Menschen fühlen sich dabei sicherlich glücklich.

Hat diese Melancholie auch etwas Gutes?

Wenn man Melancholie die Bedeutung der Besinnlichkeit zuschreibt, hat diese sicherlich etwas Gutes. Das wäre die Zeit zum Nachdenken, um zu reflektieren und ruhiger zu werden. Vielleicht schwelgt man in alten Erinnerungen oder blickt auf das Jahr zurück. So kann Melancholie also auch positive Gefühle beinhalten. Aber die Grenzüberschreitung zu depressiven Verstimmung ist möglich.

Wie unterscheidet man zwischen Melancholie und Depression?

Der Unterschied ist schlicht und ergreifend der, ob man sich gut oder schlecht fühlt. In dem Augenblick, in dem man sich schlecht fühlt, geht es in Richtung Depression.

Was kann man gegen den Herbstblues tun?

Lernen, auch dieser Jahreszeit das positive ab zu gewinnen. Also einen optimistischen Blick auf den Herbst zu haben. Dann sieht und erlebt man diese Jahrezeit auch angenehm.

Dieser Artikel erschien erstmals am 2. November 2022 und wurde am 22. September 2025 aktualisiert.