Bis zum Jahr 2035 will Stuttgart klimaneutral werden. Foto: Imago//Christoph Hardt

In einer Fernsehsendung des ZDF hat ein Vertreter der Stadt Stuttgart gesagt, dass bis zum Jahr 2035 das Gasnetz in der Stadt stillgelegt wird. Nun äußert sich Stuttgart Netze dazu.

Obgleich Stuttgart eine Landeshauptstadt ist, kommt es dann doch nicht allzu oft vor, dass in einer überregionalen Fernsehsendung mehrere Minuten lang über Stuttgart berichtet wird und Experten von vor Ort zu Wort kommen. Doch nicht nur deshalb dürfte die Aufmerksamkeit für einen Beitrag der Sendung „Frontal21“ so groß sein. Nein, es geht vor allem um eine Aussage zu der Frage, wie in den Gebäuden in Stuttgart künftig geheizt wird.

Was wurde im Fernsehen gesagt? In der Fernsehsendung „Frontal21“ des ZDF vom 15. Oktober hatte Jürgen Görres, der Leiter der Energieabteilung im Stuttgarter Amt für Umweltschutz, gesagt, dass in der Landeshauptstadt bis zum Jahr 2035 kein Gas mehr durch die Leitungen komme. Wortwörtlich sagt er in der Sendung: „Wir wollen 2035 klimaneutral sein, und dann werden wir das Gasnetz stilllegen.“ Der Interviewer hakt nach: „In ganz Stuttgart?“ Görres nickt und antwortet: „In ganz Stuttgart.“

Die Aussage beruht auf der Entscheidung des Stuttgarter Gemeinderats, die Klimaneutralität für die Landeshauptstadt von 2050 auf 2035 vorzuziehen.

Leitet die Energieabteilung in Stuttgart: Jürgen Görres Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Welchen Effekt hatte diese Aussage? In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt kritisierten mehrere Stadträte das Interview mit Jürgen Görres. Gerhard Veyhl (Freie Wähler) etwa meinte, dass dessen Aussage „nicht zielführend“ sei: „Das bringt nur Verdruss und Blockade.“ Lucia Schanbacher (SPD) bezeichnete das entstandene Bild vom abgedrehten Gashahn als „absolut falsch“. Dies erzeuge Verunsicherung bei all denjenigen, die sich selbst um eine klimaneutrale Heizung kümmern müssten – also in keinem Gebiet wohnen, in dem perspektivisch Fernwärme vorgesehen ist. Alexander Kotz (CDU) formulierte es etwas versöhnlicher: „Ob ein Video im Fernsehen hilft, ist mal dahingestellt.“ Andreas Neft, der Leiter des Amtes für Umweltschutz und Görres’ Chef, stellte sich hinter seinen Mitarbeiter: „Die Aussage war unbequem, aber nicht falsch.“ Denn strategisch sei von 2035 an Gas in der Landeshauptstadt kein Thema mehr. Zum Schluss äußerte sich auch Görres selbst noch: „Auf den Schnitt dieses Beitrags hatte ich null Einfluss.“

Wie lange gibt es noch Gas in Stuttgart? Der Technische Geschäftsführer von Stuttgart Netze, Harald Hauser, betonte in der Ausschusssitzung: „Eine Stilllegung der Gasnetze geschieht nur bei gegebener Alternativversorgung der ans Gasnetz angeschlossenen Kunden.“ Zudem richte sich Stuttgart Netze danach, was der Gesetzgeber vorgebe – und Gesetze würden auf Bundesebene gemacht.

Dazu muss man wissen: Für die Bundesrepublik gilt das Ziel der Klimaneutralität erst bis zum Jahr 2045, für Baden-Württemberg bis 2040. „Das Stuttgarter Ziel der Klimaneutralität können wir nur durch Begeisterung und Lobbyarbeit erreichen“, sagte Hauser. Und falls dieses Ziel „sportlich“ werde (sprich: nicht erreicht werde), komme es auch darauf an, bis wann der Vorlieferant von Stuttgart Netze – das ist der Fernleitungsnetzbetreiber Terranets BW – weiterhin Gas bereitstelle.

Wird Gas teurer werden? Ja. Darin sind sich sowohl Vertreter des Amtes für Umweltschutz als auch von Stuttgart Netze einig. Durch höhere Gaspreise und eine Steigerung des CO2-Preises werde perspektivisch ein „sanfter, aber spürbarer Druck auf die Menschen ausgeübt“, glaubt Harald Hauser. Dennoch geht er davon aus, dass rund 20 Prozent der Stuttgarter trotz steigender Preise am Gas festhalten wollten, „für die braucht es eine Alternativlösung“.

Stuttgart hat noch elf Jahre Zeit

Ziel
Stuttgart soll bis 2035 klimaneutral werden, zehn Jahre früher als Deutschland, fünf Jahre früher als Baden-Württemberg. Eine große Rolle spielen dabei die Gebäude und wie sie geheizt werden.

Umsetzung
Es geht in den kommenden elf Jahren darum, die Stuttgarter zu motivieren, ihre Gas- oder Ölheizung gegen eine klimafreundlichere Variante auszutauschen, etwa eine Wärmepumpe oder den Anschluss an ein Wärmenetz.