Eine unveröffentlichte Studie der TU Braunschweig bescheinigt Flüssen immenses Wärmepotenzial. Damit könnten Städte in weiten Teilen beheizt werden. Ein Antrag zeigt, dass das Land Baden-Württemberg hier vor allem ahnt statt zu wissen.
Noch bevor sie überhaupt veröffentlicht ist, wirft diese Studie ihre Schatten voraus. „Die Resonanz ist da“, sagt Christian Seidel von der Technischen Universität Braunschweig und Studienautor. Was die Forscher herausgefunden haben, hat Seidel vor Kurzem unter anderem am Beispiel Stuttgart und Neckar erläutert. Ihre Berechnungen zeigen, dass das Wärmepotenzial, das in Fließgewässern schlummert, immens sei. Zur Einordnung: Theoretisch könnten die Fließgewässer 94 Prozent der Wärme im Niedertemperaturbereich decken, so die Forscher. Das haben sie für 80 Städte in Deutschland berechnet.
Welchen Stellenwert sieht das Land?
Seit der Braunschweiger Forscher einen Einblick in die Potenziale gegeben hat, die übrigens selbst die Forscher überrascht haben, bekommt er Anfragen aus Stuttgart. Zum Beispiel vom baden-württembergischen Umweltministerium. Denn die SPD-Abgeordneten Katrin Steinhülb-Joos und Gabriele Rolland hatten Ende Juli verschiedene Fragen an die Landesregierung gerichtet, ausgelöst durch die beeindruckenden Zahlen aus Braunschweig.
Vom Grundsatz her wollten die Sozialdemokratinnen wissen, ob die Landesregierung einen Überblick über entsprechende Projekte hat und welchen Stellenwert sie dieser Wärmequelle gibt. In der Antwort des Umweltministeriums bestätigt sich, was Christian Seidel von der TU Braunschweig bereits sagte: „Die Aquathermie hatte man so die ganze Zeit nicht auf dem Schirm.“
SPD: Aquathermie aktiv angehen
„Der Landesregierung liegen keine systematischen Erkenntnisse zu konkreten Planungen von Flusswärmepumpen vor“, steht in der Stellungnahme des Umweltministeriums. Dasselbe gelte für das „konkrete Potenzial“. Was feststehe: Es sei das Ziel, bis 2040 ein Viertel der in Netze eingebrachte Wärmemenge (5,8 TWh/a) durch Großwärmepumpen aus Oberflächengewässern zu beziehen. Ob man damit womöglich nur an der Oberfläche kratzt, ist unbekannt.
Dass die Landesregierung beim Thema Aquathermie bisher „passiv“ war, kritisiert die Antragsstellerin Steinhülb-Joos. „Immerhin kündigt das Umweltministerium an, entstehende Flusswärmekraftwerke zu erfassen und auch einen Handlungsleitfaden zu erarbeiten.“ Eben dies steht auch in der Antwort.
Abgesehen davon stellen sich weitere Fragen, laut Steinhülb-Joos. Was passiere eigentlich, wenn die Orte am Neckar zum Beispiel vor Stuttgart den Fluss stark abkühlen und dadurch die nutzbare Wärmemenge für Stuttgart stark reduziert werde? Müsste man den maximal erlaubten Wärmeentzug landesweit festlegen? „Die Aquathermie kann unsere größte Wärmequelle werden“, sagt sie. „Das Land muss deshalb aktiv werden, damit dieses Potenzial auch offensiv genutzt wird und nicht unwirtschaftlichere oder weniger umweltfreundliche Alternativen zum Zuge kommen.“
Die Studie aus Braunschweig, die unter anderem in Stuttgart schon vorab auf Interesse stößt, soll übrigens bis Ende des dritten Quartals veröffentlicht sein.