„Ist der Spuk Donald Trump vorbei“, wollte Frank Plasberg von seinen Gästen wissen. Foto: obs/ARD Das Erste

Wenn am Mittwoch Joe Biden als neuer US-Präsident vereidigt wird, ist die 45. Präsidentschaft von Donald Trump endgültig Geschichte. Endgültig? Bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ sind sich die Gäste einig: Trump und sein Gefolge sollte man nicht so schnell abschreiben. Was bleibt?

Stuttgart - Frank Plasberg ist ein hart gesottener Journalist. Aber auch nach vier Jahren mit Donald Trump als US-Präsident wirkt es so, als könne es der TV-Moderator nicht glauben, dass die Amerikaner diesen Mann 2016 tatsächlich zu ihrem 45. Staatsoberhaupt gewählt haben – und er die Zahl seiner Wählerstimmen in der Novemberwahl noch hat steigern können, „obwohl die Menschen wussten, was sie erwartet“, wie Plasberg fassungslos formuliert. „Ist der Spuk jetzt vorbei?“, fragte Plasberg am Montagabend in „Hart aber fair“ – und vor allem: „Gelingt ein Machtwechsel ohne Gewalt?“ Wissen wollte er das von dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der deutsch-amerikanischen Wissenschaftlerin Cathryn Klüver Ashbrook, der Grünen-Chefin Annalena Baerbock, dem amerikanischen Journalisten Matthew Karnitschnig und dem Tagesthemen-Moderator und ehemaligen USA-Korrespondenten Ingo Zamperoni.

Heute lacht keiner mehr

Begonnen hat 2015 alles mit einer Lachnummer, wie es der Einspieler zeigt. „Die ganze Welt lacht über Donald Trump“, titelte etwa die österreichische Kronen-Zeitung, als der Mann mit der Matte auf dem Kopf ankündigte, er wolle ins Weiße Haus. Sechs Jahre später lacht keiner mehr. Allein dass sich in den USA, nicht in einer Bananenrepublik, die Frage stellt, ob die Amtseinsetzung des neuen Staatschefs ohne Ausschreitungen vonstatten gehen wird, ist alles andere als lustig.

Es sind die Bilder des 6. Januar, die diese beispiellose Präsidentschaft noch unfassbarer, noch unbegreiflicher machen: Der Aufruf Donald Trumps, zum Kapitol zu ziehen, der Sturm des Parlaments, die Szenen von Abgeordneten, die sich ängstlich unter Tischen verschanzen und die Bilder von teils Demonstranten, die sich mit roher Gewalt Zutritt verschafften zum Kern der US-amerikanischen Demokratie. Alle Gäste bei Plasberg waren sich einig: „Das war eine Zäsur“, wie Ingo Zamperoni es formulierte – aber eine Zäsur, die für die Republikaner nicht zwangsläufig den Bruch mit Trump bedeuten: Die Zeit des Donald Trump, so befürchtet er, ist noch lange nicht vorbei.

Zamperonis Schwiegervater wählte Trump, trotz allem

Zamperonis Schwiegervater etwa. Der Amerikaner, ein überzeugter Republikaner, hat schon vor vier Jahren Trump gewählt und auch im vergangenen November wieder sein Kreuz hinter Trumps Namen gemacht. Dabei hat er sich zwar die Nase zugehalten, wie er selbst sagt. Aber offenbar kann in den USA ein republikanischer Kandidat gar nicht so arg stinken, dass eingefleischte Republikaner einen Demokraten wählen würden – eher gingen sie gar nicht zur Wahl. Die Basis der Trumpisten sei unerschütterlich.

Sie habe sich in den vergangenen vier Jahren zwar nicht vergrößert, dafür habe Trump die Spaltung des Landes vertieft – eine Spaltung, die schon im Wahlsystem angelegt sei, weil US-Amerikaner eben stets nur die Wahl hätten zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen A und B, zwischen gut und böse. Allerdings hätte es in den vergangenen vier Jahren schlimmer kommen können: „Immerhin hat er keinen Krieg angezettelt“, sagte Zamperoni. Abschreiben sollte man den scheidenden Präsidenten und sein Gefolge indes nicht. Der Name Trump sei seit dem 6. Januar zwar „toxisch“ – aber nur für den Moment, denn „die Amerikaner lieben Comebacks“.

„Die Republikaner werden sich abwenden von Trump“

Der Journalist Matthew Karnitschnig glaubte, dass der 6. Januar für einschneidende Veränderungen sorgen wird. Zwar habe Trump es geschafft, noch mehr Wählerstimmen zu bekommen, das habe seinen Größenwahn noch vorangetrieben. Aber es komme auch nicht oft vor, dass ein Amtsinhaber abgewählt werde. Die große Mehrheit der US-Amerikaner unterstütze Joe Biden. Die Republikaner müssen sich von Donald Trump abwenden, „weil er keinen Rückhalt hat in der Mitte der Gesellschaft“, sagt er. Ohne den Sturm aufs Kapitol herunter spielen zu wollen: „Das waren Extremisten.“

Cathryn Klüver Ashbrook, die deutsch-amerikanische Politikwissenschaftlerin, bewertete das deutlich unentspannter. Sie staunt immer noch, „wie wenig diese Demokratie diesem Mann hat Einhalt gebieten können“, sagte sie und mahnte: „Wir müssen an der Wehrhaftigkeit der Demokratie arbeiten, auch in Europa“, denn die vier Jahre Trump hätten gezeigt: Die Demokratien „sind angreifbar“. Auch den Sturm aufs Kapitol bewertete sie anders.

Der Sturm des Kapitols – eine geplante Attacke

Das sei kein spontaner Marsch gewesen, sondern eine geplante Attacke: „Manche Demonstranten hatten einen Knopf im Ohr“, die hätten sich abgesprochen und gezielt gesucht etwa nach dem Vizepräsidenten Mike Pence, der sich an dem Tag den Zorn Trumps auf sich gezogen hatte mit seiner Ablehnung, Biden die Anerkennung als neues Staatsoberhaupt zu verweigern, und der Kammerpräsidentin Nancy Pelosi von den Demokraten. Chancen sah Klüver Ashbrook indes darin, dass nach dem 6. Januar viele Unternehmen Trump und den Republikanern den Geldhahn zugedreht hatten: „Das könnte Auswirkungen haben auf die Geschwindigkeit, in der sich die Republikaner verändern“, sagte sie.

Baerbock: Hass und Hetze haben sich eingefressen

„Donald Trump ist weg, aber der Trumpismus nicht“, sagte auch Annalena Baerbock. Hass und Hetze hätten sich eingefressen in die Gesellschaft, dabei gebe es durchaus Parallelen zwischen den USA und Deutschland, so die Grünen-Chefin mit Blick auf die Rechtspopulisten der AfD. „Ich sehe die Demokratie bedroht“, jenseits des Atlantiks und hierzulande. „Wir müssen wachsam sein.“ Dazu gehöre auch, dass die Erstürmung des Kapitols verfolgt werden müsse. „Wenn das wieder keine Konsequenzen hat, wäre das fatal.“ Ein Nachdenken sollte ihrer Einschätzung nach auch bei deutschen Firmen einsetzen, die Trump vor dem 6. Januar finanziell unterstützt hätten: Sie „müssen sich kritisch fragen lassen, wie das passieren konnte“.

Das Parlament muss sakrosankt bleiben, sagt Altmaier

„Schön, dass Sie noch im Amt sind“, begrüßte Frank Plasberg Peter Altmaier. Der Wirtschaftsminister freute sich eigenen Angaben zufolge, dass sein Posten so attraktiv sei, dass Friedrich Merz ihn gerne für sich beansprucht hätte. Der Sturm aufs Kapitol sei „ein Totalcrash der Demokratie“ gewesen, so der Christdemokrat. Altmaier selbst war im November im Bundestag von einer AfD-Anhängerin bedrängt und beschimpft worden. „Ich kann mir helfen, ich bin geländegängig“, sagte Altmaier. Als grenzüberschreitend hat er das Verhalten der Störer dennoch erlebt. „Das Parlament ist sakrosankt.“

So schwierig Trumps Präsidentschaft gewesen sei, so polarisierend Trumps Äußerungen in den sozialen Netzwerken, dass Trump mittlerweile aus sämtlichen Plattformen geflogen ist, bewertete Altmaier kritisch: Wer entscheide über eine generelle Sperre nach welchen Regeln? Auch die Freiheit der Meinungsäußerung muss nach Ansicht des Ministers in einer Demokratie sakrosankt bleiben – sonst treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus.