Die Stromzähler drehen sich, und der Preis steigt immer schneller. Foto: dpa/Uli Deck

Allenthalben ist das Klagen über explodierende Strom- und Gaspreise gewaltig. Auch bei den Gästen von hart aber fair. Nur ein Wissenschaftsjournalist hält dagegen.

Stuttgart - Die Frage ist einfach, die Antwort ist schwer: „Wer kann sich diese Energiepreise noch leisten?“, hat Frank Plasberg angesichts explodierender Strom- und Gaspreise am Montag seine Gäste bei hart aber fair gefragt. Eine fürwahr elektrisierende Fragestellung. Auch wenn die Antworten über weite Strecken nicht gerade Hochspannung boten – so gab es immerhin ein paar praktische Tipps.

„Unseriöses Geschäftsgebaren“

Da war zunächst die Geschichte des Billigstromanbieters stromio, beziehungsweise das Schicksal seiner Kunden. Von einem Tag auf den anderen hat das Unternehmen Verträge gekündigt, und so seine Kunden in die Grundversorgung anderer Energieanbieter getrieben. Dort bezahlen sie zum Teil doppelt so viel wie bisher. Kerstin Andrea, einst Spitzenkraft der Grünen, heute Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, erntet Kopfnicken, wenn sie erklärt, dass es sich dabei schlicht um „unlauteres Geschäftsgebaren“ handelt. Zumal das Unternehmen gar nicht insolvent sei, sondern offenbar plane, den vorhandenen Strom teurer zu verkaufen, als einst vertraglich zugesagt. Für die Grundversorger, die nun in Schwierigkeiten geraten, weil sie die abgewiesenen Kunden übernehmen müssen, hat Andrea Verständnis. Diese hätten seriös und langfristig kalkuliert, nun müssten sie hinzukaufen.

2500 Euro Mehrkosten für eine Familie

Jürgen Trittin, einstmals Umweltminister, und seit jeher einer, der es besser weiß, spricht den Grundversorgern das Recht ab, Neukunden mit höheren Preisen zu belegen. Höchstens drei Monate sei dies als Kompromiss denkbar. Tilmann Kuban erzählt vom Gespräch mit dem Bürger, der im neuen Jahr 2500 Euro mehr für Strom und Gas bezahlen soll. Da sei der Sommerurlaub bei manch einem futsch, analysiert der Bundesvorsitzende der Jungen Union.

In das allgemeine Wehklagen über zu hohe Energiepreise stimmt Harald Lesch nicht ein. „Alles wird teurer, warum soll da ausgerechnet die Energie nicht teurer werden“, sagt der Professor für Astrophysik, der im öffentlich-rechtlichen Konkurrenzsender ZDF mit Leschs Kosmos regelmäßig die Welt erklärt. Das Problem liege in der Liberalisierung des Strommarktes. Eine Ansicht, der sowohl Trittin als auch Andrea heftig widersprechen. Keine Gegenrede erntet Lesch für seine Analyse, dass man inzwischen „energetisch verfettet“ sei. Sprich: jeder von uns verbraucht zu viel Energie. Seine Folgerung: Energiepreise sind in Zusammenhang mit Klimaschutz zu sehen. „Der Weg in die nachhaltige Wirtschaft ist der einzige, der uns helfen kann“.

Schlimmere Auswirkungen als der Weltkrieg

Der Verleger und Publizist Wolfram Weimer, der von den Talkshowredaktionen der Republik fast reflexartig zu diesem Thema angefragt wird, legt seine Lieblings-Platte auf: der Staat ist es, der die Energie zu teuer macht, Mehrwertsteuer und Stromsteuer müssten runter. „Ich kenne Glashütten, die haben zwei Weltkriege überlebt, diesen Strompreis werden sie nicht überleben“.

Dass es billiger werden muss ist auch die Ansicht von Trittin und Kuban. Es folgt der parteipolitische Streit, ob das absehbare Ende der EEG-Umlage der Groko oder der Ampel-Koalition zuzurechnen ist, inklusive trittinschem Dozententum und dem Zugeständnis des nun oppositionellen CDU-Politikers Kuban, dass die von der Regierung angekündigte Heizkostenpauschale ein guter Zug sei.

Tipps von der Expertin

Dass im Schweinsgalopp auch noch die Themen grüne Atomkraft (Lesch: „da muss man schon einen sehr schrägen Nachhaltigkeitsbegriff haben“) und Nord-Stream 2 (Trittin: „brauchen wir nicht“) durchgepaukt werden, bringt dem Endkunden mit der hohen Stromrechnung wenig Erkenntnisgewinn. Eher schon die Tipps von Christina Wallraff. Wenn der Stromvertrag vom Anbieter gekündigt wird, möge man sofort den Dauerauftrag stoppen und den Zählerstand dokumentieren, so die Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Auf der Internetseite der Organisation finde sich zudem ein Musterbrief, um Schadensersatz einzufordern.