Der Tatort in Hanau. Foto: dpa/Boris Roessler

Wütend, traurig und von der Politik enttäuscht: Autoren und Künstler mit Migrationshintergrund äußern sich entsetzt nach der Bluttat von Hanau – und berichten über eigene Erfahrungen mit Rassismus.

Hanau - Der Autor und Aktivist Ali Can erklärte, die Tat habe zum Ziel gehabt, Angst unter Menschen mit Migrationshintergrund zu verbreiten. „Wir fürchten um unsere Leben“, schreibt Can. Er hatte 2018 unter dem Hashtag Metwo (in Anlehnung an die Metoo-Bewegung) dazu aufgerufen, Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung zu veröffentlichen. Er berichtet auf Twitter, sein Cousin habe am Abend der Tat überlegt, in die Shisha-Bar zu gehen, in der sich der Anschlag am späten Mittwochabend ereignete. Neun der Todesopfer von Hanau haben einen Migrationshintergrund, fünf von ihnen waren türkische Staatsangehörige.

Ähnlich wie Can äußerte sich auch der junge Autor Mohamed Amjahid: „Dieser Terror ist speziell auf nichtweiße Menschen gerichtet.“ Das anzuerkennen sei der erste Schritt, die Gewalt zu stoppen. Er und andere riefen außerdem dazu auf, das Bekennerschreiben des mutmaßlichen Täters nicht zu teilen, denn damit verbreite man seinen Hass.

Die Schauspielerin Sibel Kekilli (unter anderem bekannt aus dem Kieler „Tatort“ und „Game of Thrones“) schrieb auf Instagram: „Wir waren schon mal weiter in diesem Land. Dieser rechte Terror ist gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Andersdenkende und Andersgläubige gerichtet.“ Sie machte deutlich, rechter Terror sei nach wie vor eine Realität. Kekilli wurde in Heilbronn geboren, ihre Eltern kamen in den 1970er Jahren aus der Türkei nach Deutschland.

Auch die Filmemacherin und Reporterin Düzen Tekkal zeigt sich betroffen. Sie erklärt, Waffenfunde und Terrornetzwerke dürften nie wieder eine Randnotiz bleiben. Sie macht auf die erst vergangene Woche ausgehobene mutmaßlich rechtsextreme Terrorzelle aufmerksam, die von den Behörden intern als „Gruppe S“ bezeichnet wurde. Den zwölf Tatverdächtigen wird unter anderem vorgeworfen, Anschläge auf Moscheen geplant zu haben.

Die Journalistin Ferda Ataman kritisiert die Äußerung des ehemaligen Bundesvorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel, der auf Twitter zwar einerseits schreibt, der Feind der Demokratie stehe rechts, sich aber trotzdem explizit über „linke Chaoten“ äußerte. Wer an einem solchen Tag über sie als Demokratieproblem rede, der spucke Menschen mit Migrationshintergrund verbal ins Gesicht.

Mittwochnacht starben elf Menschen bei dem Anschlag in Hanau. Neun Menschen wurden an zwei Tatorten (in einer Shisha-Bar und einem Kiosk) durch Schüsse getötet. Alle Todesopfer hatten Migrationshintergrund. Am frühen Donnerstagmorgen entdeckten Spezialkräfte der Polizei schließlich auch den 43-jährigen mutmaßlichen Täter und seine Mutter tot in einer Wohnung. Sechs weitere Menschen wurden verletzt, einer von ihnen schwer.