Die Bundesanwaltschaft hat B. unter anderem wegen zweifachen Mordes angeklagt. Foto: dpa/Ronny Hartmann

Der Prozess gegen den Synagogen-Attentäter von Halle steht vor dem Abschluss. Am Mittwoch hielt die Verteidigung vor dem Oberlandesgericht Naumburg ihr Abschlussplädoyer. Ein Urteil wird Ende Dezember erwartet.

Magdeburg - Fast ein halbes Jahr nach Beginn des Prozesses gegen den Synagogen-Attentäter von Halle steht das Verfahren vor dem Abschluss. Am Mittwoch hielt die Verteidigung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ihr Abschlussplädoyer. Das OLG verhandelt aus Sicherheits- und Platzgründen im Magdeburger Landgericht. Die Verteidigung hält ihren Mandanten für zumindest vermindert schuldfähig. Die völlige soziale Isolation habe Stephan B. in den Rechtsextremismus abdriften lassen, sagte Verteidiger Hans-Dieter Weber. Aus Geltungssucht habe sich B. in der Internetgemeinschaft bewähren wollen. Weber forderte kein konkretes Strafmaß, sondern ein gerechtes Urteil. Zudem sprach er sich gegen eine Sicherungsverwahrung aus.

Unstrittig sind die Tatvorwürfe des zweifachen Mordes, der Volksverhetzung und Holocaustleugnung. Weber hält aber den Anschlag auf die Synagoge nicht für einen strafbaren Mordversuch an 51 Gottesdienst-Besuchern: „Der Tatplan scheiterte, als er vor verschlossener Tür stand.“ Er verwies darauf, dass B. auch in seinem Video, das er live von der Tat ins Internet streamte, zu Beginn sagte: „Bitte lass die Tür offen sein.“ Zudem habe sich hinter der Holztür zunächst das Synagogen-Gelände befunden, die Synagoge selbst habe eine weitere Tür gehabt. B. sei „früher gescheitert“.

Angeklagter leugnete erneut Holocaust

Weber sprach von einem schwierigen Verfahren. Es habe sich um eine Tat „in Tradition nationalsozialistischer Verbrechen“ gehandelt. B. sei aber nicht sein schwierigster Mandant gewesen. B. sei stets höflich und freundlich aufgetreten, auch wenn er dessen Gesinnung in keiner Weise teile. Die Weltöffentlichkeit schaue auf dieses Verfahren und ob man der historischen Verantwortung gerecht werde.

Der zweite Verteidiger, Thomas Rutkowski, schloss sich Webers Schlussvortrag an. Das letzte Wort des Angeklagten dauerte nur wenige Minuten. Er sprach von einem „reinen politischen Schauprozess“. Als er erneut den Holocaust leugnete, unterbrachen ihn mehrere Nebenkläger lautstark und protestierten. B. sagte am Rednerpult: „Dann wäre das alles“ und setzte sich wieder zwischen seine Verteidiger. Die Sitzung wurde daraufhin kurz unterbrochen.

Urteil wird noch im Dezember erwartet

B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. B. scheiterte an der Tür zum Gelände, erschoss dann die 40-Jährige Jana L. auf der Straße und den 20-jährigen Kevin S. in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen. In dem seit Juli laufenden Prozess wurden 86 Zeugen und acht Sachverständige gehört. Ein Urteil wird für den 21. Dezember um 11 Uhr erwartet.

Die Bundesanwaltschaft hat B. unter anderem wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten wie Volksverhetzung und Körperverletzung angeklagt. Sie fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung für den Rechtsterroristen sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Bundesanwaltschaft hält B. auch weiterhin für gefährlich. Das psychiatrische Gutachten bescheinigte dem 28-Jährigen zwar eine komplexe Persönlichkeitsstörung, aber volle Schuldfähigkeit.