Das Hajek-Grab auf dem Waldfriedhof – die „Große Plastik“ (im Hintergrund) wird zur Versteigerung angeboten. Foto: privat

Wenn an diesem Freitag in Stuttgart 20 Großskulpturen von Otto Herbert Hajek versteigert werden, ist auch ein Werk dabei, das Teil der Grabstätte des Künstlers ist.

Hoch reckt sich die Skulptur, gerade so, als sei Pflanzenkraft am Werk. Zugleich ist eine Figur ahnbar – Otto Herbert Hajeks „Große Plastik“ von 1962 vereint alle Spannung der Kunstwege der beginnenden 1960er Jahre. Mit gutem Grund also hat die Arbeit einen besonderen Platz und krönt die Grabstelle des im Jahr 2005 gestorbenen Künstlers auf dem Stuttgarter Waldfriedhof. Nun aber steht die „Große Plastik“ zum Verkauf – als eine von 20 Hajek-Großplastiken, die an diesem Freitag, 24. März, im Stuttgarter Auktionshaus Yves Siebers versteigert werden. Das angesetzte Mindestgebot für das Werk: 120 000 Euro.

Für Hajeks Tochter ist das Grab „ein Ensemble“

Aus Sicht von Otto Herbert Hajeks Tochter Aurelia Homoki ist der geplante Verkauf ein unzulässiger Eingriff. „Mein Vater“, schreibt sie in einem Brief an das Friedhofsamt, „hat mich in seinem Testament vom 7. April 2005 als Testamentsvollstreckerin bestimmt sowie mir das Grabrecht übertragen“. „In dieser Funktion“, so Homoki, habe sie nach dem Tod des Vaters „die Grabgestaltung bei dem Bildhauer Andreas Helmling – einem ehemaligen Meisterschüler meines Vaters – in Auftrag gegeben“. Und: „Ich habe damals sowohl die ,Große Plastik’ als auch die Plastik auf dem Grabstein aus dem Bestand des Nachlasses an den Waldfriedhof übergeben.“ Für Aurelia Homoki ist klar: „Die Grabstätte in ihrer jetzigen Form ist als ein Ensemble zu sehen. Jede unbefugte Veränderung wäre unzulässig und würde darüber hinaus eine Verletzung des Urheberrechts an der künstlerischen Grabgestaltung des Künstlers Andreas Helmling bedeuten.“ Helmling ist 2019 im Alter von nur 60 Jahren gestorben.

Wie aber kann es dann zu einem Verkaufsangebot für die „Große Plastik“ kommen? Das Werk ist unstreitbar in Besitz des Künstlersohnes Urban Hajek. Zunächst enterbt, hat er seinen beiden Schwestern einen großen Bestand an Werken seines Vaters abgekauft. Mit auf dieser Liste stand auch die „Große Plastik“. In den Worten von Aurelia Homoki: „Urban Hajek war nie Mitglied der Erbengemeinschaft meines Vaters Otto Herbert Hajek. Er ist weder Testamentsvollstrecker noch Nachlassverwalter. Er hat lediglich nach Auflösung der Erbengemeinschaft im Jahre 2019 die Werke aus dem künstlerischen Nachlass käuflich erworben.“

Urban Hajek ist unanfechtbar Eigentümer

Doch auch wenn Aurelia Homoki dem Friedhofsamt richtig schreibt: „Das Grabrecht liegt nach wie vor bei mir“ – Urban Hajek ist juristisch unanfechtbarer Eigentümer der „Großen Plastik“. Die Einwände gegen eine Versteigerung der Skulptur mögen berechtigt sein, formal greifen sie aber nicht. Jedoch könnten noch von anderer Seite aus Bedenken formuliert werden: Die „Große Plastik“ ist zu den Hauptwerken von Hajek zu zählen. Sie markiert 1962 den Schritt Hajeks, 1959 und 1964 Teilnehmer der Weltkunstausstellung Documenta in Kassel, aus dem Informel in eine neu begründete abstrakte Figuration – Voraussetzung für Hajeks bald international gefeierte Idee der begehbaren Plastik und der Farbwege.

Angesichts dessen wird die vor dem Hintergrund finanzieller Notwendigkeiten zu sehende Ankündigung von Urban Hajek, bei Nichtverkauf der 20 bei Siebers angebotenen Skulpturen diese für ihren Materialwert zerstören zu lassen, zu einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Keine öffentliche Kunsteinrichtung aber wird die geforderten 120 000 Euro Mindestgebot aufrufen können. Bliebe noch der Weg über ein sogenanntes Unterangebot. Wie von unserer Zeitung berichtet, muss dieses mindestens 50 Prozent des Limits betragen. Dann läge der Ball für ein weiteres Vorgehen wieder bei Urban Hajek als Einlieferer.

Auktion startet am 24. März gegen 16 Uhr

Gegen 16 Uhr an diesem Freitag, 24. März, soll die „Sonderauktion Hajek“ im Auktionshaus Yves Siebers in Stuttgart (Augsburger Straße 221) beginnen. Bis zu 45 Minuten sind für die Versteigerung der 20 angebotenen Großskulpturen veranschlagt. Wer nicht vor Ort sein kann – der Auktionsverlauf lässt sich auch im Internet verfolgen. „Gespannt“ ist man sicher nicht nur bei Siebers.

Hajek in Kürze

Die Anfänge
1927 in Kaltenbach (heute Nové Hutě/Tschechien) geboren, kommt Hajek nach Kriegsende nach Erlangen und macht das Abitur. Von 1947 bis 1954 studiert er Bildhauerei an der Kunstakademie Stuttgart.

Früher Ruhm
Mit sogenannten Raumknoten wird Hajek Anfang der 1950er Jahre bekannt. 1959 und 1964 ist er bei den Weltkunstausstellungen Documenta II und Documenta III in Kassel vertreten. Die 1964 präsentierte Idee der begehbaren Plastik sichert ihm internationale Aufmerksamkeit. Hajeks Konzeption des Kunst gewordenen Stadtraumes ist vor allem mit der Konzeption „Urban Sculpture“ im australischen Adelaide (1973-1977) Teil der jüngeren Kunstgeschichte. Von 1980 bis 1992 agiert Hajek als Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Karlsruhe.

Ausstellung
Gestützt auf Werke aus der unter dem Dach der Stadt Stuttgart angesiedelten O. H. Hajek-Kunststiftung und der Otto Herbert Hajek-Kunststiftung der Sparda-Bank Baden-Württemberg würdigt das Kunstmuseum Stuttgart Hajek von 28. Oktober dieses Jahres an mit einer umfassenden Schau.