Einige Angeklagte sitzen kurz vor Beginn des Prozesses gegen die mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung „Gruppe S.“ in einem Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim. (Archivbild) Foto: dpa

Der Terrorprozess gegen die mutmaßlich rechtsextremistische „Gruppe S.“ in Stuttgart ist eine Geduldsprobe. Das Gericht will rechten Netzwerken nachzuspüren, wo einst die Rote Armee Fraktion auf der Anklagebank gesessen hat.

Stuttgart - Sprechen die beiden wirklich vom selben Treffen? Von jener angeblich streng geheimen Runde verschworener Neonazis schreibt die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift, von der „Gruppe S.“, die den Umsturz in der Republik plane, die Moscheen anzünden und Moslems umbringen wolle. Auf der Stuttgarter Anklagebank hingegen erinnert sich einer dieser mutmaßlichen Rechtsradikalen nur an ein „Kennenlerntreffen“ von einem Dutzend Menschen, die meisten aus der rechten Szene. Männer, von denen sich die meisten untereinander nicht gekannt haben und auch nicht wirklich sympathisch gefunden haben wollen.

Im großen Terrorprozess gegen die mutmaßlich rechtsextremistische „Gruppe S.“ stehen diese beiden Bilder von ein und derselben Gruppe gegeneinander. Zwar räumte der 32-Jährige als einer von bislang nur zwei aussagewilligen Angeklagten am Dienstag vor Gericht ein, es habe Gespräche und ein Treffen mit den anderen elf verdächtigten Männer in Minden (NRW) gegeben. Er wies aber auch Aussagen der Bundesanwaltschaft zum möglichen durchdachten Aufbau des mutmaßlichen Netzwerks zurück und beschrieb mehrere Gespräche als „oberflächliches Geschwätz“ von „Kneipennazis“.

Teilnehmer distanzieren sich von Gewaltbereitschaft anderer

„Ja, ich war damals rechts und wir fanden das auch schön, toll und cool“, sagte der Mann aus Sachsen-Anhalt vor dem Oberlandesgericht. Zum „Kennenlerntreffen“ sei er aber nur kurzfristig von einem Freund mitgenommen worden und dankbar gewesen für die Abwechslung nach der Trennung von seiner Freundin. Er selbst sei dort von der Radikalität der Aussagen mehrerer Teilnehmer überrascht worden und habe „kopftechnisch irgendwann abgeschaltet“, als einige Teilnehmer von Angriffen gegen Moscheen und dem Kauf von Waffen sprachen. „Ich habe da erst festgestellt, dass es wirklich Leute gibt, die das alles in Betracht ziehen“, sagte er. Mindestens vier Teilnehmer hätten diese Gedanken aber nicht unterstützt und seien auch nicht bereit gewesen, für Waffenkäufe Geld zuzusagen.

Die Bundesanwaltschaft sieht das anders. Sie wirft dem angeklagten Mann vor, enge Kontakte zu Waffenlieferanten gepflegt und Hilfe beim Beschaffen von Waffen und Handgranaten geleistet zu haben. Er sei zwar in der Bewegung „Vikings Security Germania - Division Sachsen-Anhalt“ aktiv gewesen, räumte dieser in seiner Aussage auch ein. Allerdings hätte sich dort lediglich ein halbes Dutzend Menschen engagiert. „Das war mehr Schein als Sein“ beschrieb er eine der Aktionen. Auch den Besitz von wenigen Schuss Munition und einer selbstgebastelten Waffe gestand er vor Gericht ein, die Flinte habe er allerdings verschrottet.

Gruppe ist nach mutmaßlichem Rädelsführer Werner S. benannt

Vor dem Stuttgarter Gericht in der streng gesicherten Außenstelle Stammheim stehen insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder und ein möglicher Unterstützer der sogenannten Gruppe S.. Benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., der aus dem Raum Augsburg stammt, soll die Gruppe Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Der Anklage zufolge wollten die Männer Moscheen überfallen und Muslime töten, um „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auszulösen. Dabei sollen sie gut vernetzt gewesen sein in der rechtsextremen Szene.

Die Gruppe rekrutierte sich demnach aus Bürgerwehren, aus der sogenannten Reichsbürger- und Prepperszene, aus Vereinigungen mit Namen wie der „Vikings Security Germania“ des Angeklagten, „Wodans Erben“ oder „Freikorps Heimatschutz Division 2016 - Das Original“. Die Anschlagspläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein. Folgt man den Ausführungen des angeklagten 32-Jährigen, können da durchaus auch Zweifel aufkommen. „Also, ich hab vorher gewusst, dass es bei dem Treffen um rechtspolitische Sachen ging“, sagte er vor Gericht. „In dem Augenblick war ich ganz froh, von zuhause rauszukommen.“

Die Angeklagten waren am 14. Februar 2020 festgenommen worden. Das Staatsschutzverfahren ist ein Mammutprozess mit Dutzenden Beteiligten, bis Mitte 2022 sind Verhandlungstermine geblockt. Es ist ein besonderes Verfahren, weil es darum geht, wie Rechtsextremisten sich in Deutschland vernetzen, wie sie denken, wie gefährlich sie sind - einige Jahre nach dem NSU-Terror.