Die Stuttgarter Nachrichten vom Mittwoch, 30. September 1959 Foto: Lg/Max Kovalenko

Der Inhalt des 62 Jahre alten Grundsteins des ursprünglichen Hospitalhofs dokumentiert die unsichere Zeit des Kalten Kriegs.

Stuttgart - Grundsteinlegen ist nichts Außergewöhnliches, Grundsteinheben dagegen schon. Entsprechend aufgeregt war der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig, als er am Freitagmittag die freigelegte Kupferkassette aus dem Grundstein des ursprünglichen Hospitalhofs aufbog. Denn auf den Tag genau vor 62 Jahren am 1. Oktober 1959 war der Grundstein des alten Hospitalhofs versiegelt worden. Nun tauchte der lange verschollen geglaubte Grundstein beim Umzug der kirchlichen Verwaltung von der Pfarrstraße in die Christophstraße im Frühsommer 2021 wieder auf. Der Stein mit dem eingemeißelten Schriftzug Hospitalhof war im Zuge des Abrisses des alten Hospitalhofs gesichert und in der Pfarrstraße eingelagert worden. „Allerdings war uns nicht bewusst, dass es der Grundstein ist“, sagt Thilo Mrutzek, Baufachmann der Kirche. Erst die Idee, den Stein wieder aufzuhübschen und als Sitzgelegenheit vor dem Hospitalhof zu platzieren, brachte ihn auf die Spur des wahren Geheimnisses. Denn bei der Bearbeitung wurde klar: Der Stein ist hohl.

Das Rätsel der Kupferkassette

Das eigentliche Geheimnis, nämlich der Inhalt jener Kupferkassette, wurde jedoch erst am Freitag gelüftet. Und tatsächlich beförderte Stadtdekan Schwesig neben den erwarteten Beigaben, wie eine Bibel, Geld (acht Mark und 68 Pfennig) oder ein Gesangbuch, etwas Überraschendes zutage. Statt wie üblich eine Stuttgarter Nachrichten und eine Stuttgarter Zeitung beizulegen, wollte der damalige Stadtdekan Hans Lindel die unsichere Zeit des Kalten Kriegs offenbar ganz genau und umfangreich dokumentieren. Neben der Ortssatzung der Gesamtkirchengemeinde und der Kirchengemeindeordnung legte Lindel ein Potpourri von Printmedien in die Kassette: darunter der „Herald Tribune“, der „Ost-West-Kurier“, „Christ und Welt“, die „Deutsche Zeitung“, die „Funk und Fernseh Illustrierte“, das „Stuttgarter Evangelische Sonntagsblatt“ und das „Evangelische Gemeindeblatt für Württemberg“ und eben die beiden Stuttgarter Blätter. Während die überregionale Presse den Besuch des sowjetischen Regierungschefs Chruschtschow in den USA thematisierte, waren die StN schon damals näher dran. Die Überschrift lautete: „Rentenerhöhung um fast sechs Prozent“.