Werner Schulz ist im Alter von 72 Jahren gestorben: Er kam aus der DDR-Friedensbewegung und prägte lange Zeit das Bild der Grünen. Foto: dpa/Karlheinz Schindler

Der Grünen-Politiker starb am Mittwoch im Alter von 72 Jahren, während einer Veranstaltung beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue.

Abgeordneter sein, selbstbewusst und unabhängig, frei gewählt und nur seinem Gewissen unterworfen, der Aufgabe verpflichtet, die Regierung – selbst wenn sie den eigenen Wünschen entspricht – nicht nur zu stützen, sondern sie vor allem zu kontrollieren: Werner Schulz hat diese Rolle mit Würde und Sturheit ausgefüllt, keinem Streit in der Sache aus dem Weg gehend, keine Möglichkeit zur Verständigung und zur Debatte auch über Parteigrenzen hinweg ausschlagend.

Er konnte knallhart sein

Er konnte hart sein, wenn er von seiner Sache überzeugt war. Knallhart. Am 1. Juli 2005 stellt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage. Er will sich gezielt das Misstrauen aussprechen lassen, um Neuwahlen zu erreichen. Nach der Aussprache im Plenum gibt Schulz eine „mündliche Erklärung“ ab. Sie wird vom Rhetorik-Seminar der Universität Tübingen zur Rede des Jahres 2005 gewählt. Schulz findet Schröders Vorgehen skandalös. Seine Erklärung ist messerscharf. Er spricht von einem „inszenierten, einem absurden Geschehen“. Schröder schleudert er entgegen: „Sie beugen unsere Verfassung, wenn Sie mit Hinweis auf das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung verwehren und im nächsten Moment durch Selbstauflösung des Bundestages eine Volksabstimmung über die Fortsetzung Ihrer Politik herbeiführen wollen. Sie haben geschworen, das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen.“

Er erhob die Stimme gegen Biermanns Ausbürgerung

Die Rede wurde als mutig gefeiert. Schulz aber wusste besser, was Mut war. Er hatte in der DDR gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns die Stimme erhoben. Als er gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan protestierte, wurde ihm von seiner Berliner Universität unmittelbar vor der Abgabe seiner Dissertation gekündigt. Seit den 70er-Jahren hatte er sich in der DDR-Friedens- und Menschenrechtsbewegung engagiert. Er wusste, dass es zwar Rückgrat, aber keinen Mut erforderte, in einem frei gewählten Parlament für seine Meinung einzustehen.

Als sich der Umbruch in der DDR endlich anbahnte, engagierte sich Schulz zunächst im Neuen Forum, das er am Runden Tisch vertrat. In der ersten freien Volkskammer zog als Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen ein, wurde einer der drei Sprecher. Von 1990 bis 1994 war er auch einer der Sprecher der Bundestagsgruppe von Bündnis90/Grüne, die überhaupt nur durch den Erfolg in Ostdeutschland den Einzug ins Parlament schafften. Schulz wurde in der folgenden Wahlperiode Parlamentarischer Geschäftsführer. Als ab 1998 die Grünen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik an der Regierung beteiligt waren, wäre Schulz gerne Fraktionschef geworden. Joschka Fischer hat das verhindert. Er suchte, wie Schulz einmal spöttisch bemerkte, wohl er eher „einen Regierungssprecher als einen Fraktionssprecher“. Tatsächlich wollte Fischer einen weniger unabhängigen Kopf.

Er mahnte, kritisierte, spornte an

Schulz blieb bis 2005 eine laut hörbare Stimme des Ostens im Bundestag, erklärte die ostdeutschen Sorgen und Anliegen, forderte unermüdlich die Aufarbeitung der SED-Diktatur, mahnte, kritisierte, spornte an. Immer eigenständig, oft störrisch, nie meinungslos und stets auf Dialog bedacht. Am Mittwoch starb Werner Schulz, während einer Veranstaltung im Schloss Bellevue.