Peter Weishäupl und das Hotel Unger halten die Stellung – obwohl die sonst so starke Adventszeit eine Katastrophe ist. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Viele Betriebe haben nur geöffnet, um die letzten Stammgäste nicht zu verlieren. Dass über Weihnachten Übernachtungen im Rahmen von Familienbesuchen möglich sein sollen, hilft ihnen nicht. Die Rückgänge in diesem Jahr sind dramatisch.

Stuttgart - Peter Weishäupl präsentiert die neueste Errungenschaft des Hauses. Ein mobiles Plasma-Luftreinigungsgerät steht da im Frühstückssaal des Hotels Unger in der Kronenstraße. Es soll eine Atmosphäre der Sicherheit schaffen, indem es die Luft möglichst frei von Coronaviren hält, so denn welche aufkreuzen sollten. Im Lauf des Tages kann es dann an andere Einsatzorte gebracht werden. „4500 Euro hat uns das Gerät gekostet“, sagt Weishäupl.

Dass es überhaupt zum Einsatz kommt, ist in diesen Tagen keine Selbstverständlichkeit. Denn es bedeutet, dass das Hotel geöffnet ist. Derzeit sind in Deutschland viele Häuser geschlossen, weil touristische Übernachtungen verboten sind. Nur Geschäftsreisen und in Ausnahmefällen dringend notwendige private Trips sind erlaubt. Doch private Gäste verzeichnet Inhaberin Susanne Zöller-Unger derzeit nicht. „Wir haben eine Auslastung von unter zehn Prozent. Wir haben nur geöffnet, weil wir unsere Stammgäste, die letzten Geschäftsreisenden, nicht verlieren wollen“, sagt sie. Wirtschaftlich lohnend ist das nicht, aber das Haus will auch in der Krise Präsenz zeigen.

So geht es vielen Hotels in Stuttgart und der Region. Geschlossen sind nur wenige, die meisten halten trotz defizitären Betriebs das Fähnlein hoch. Ganz unabhängig davon, ob es sich um große oder kleinere Häuser handelt. Manche bieten sogar Zimmer zu Sondertarifen zum Arbeiten im Homeoffice an. Von zehn Prozent Auslastung spricht man auch im Hotel garni Körschtal in Möhringen. Dort setzt man normalerweise stark auf die Besucher der seit langem geschlossenen Musicaltheater. „Derzeit wohnen hier ein paar Monteure, die schon ewig kommen, die wollen wir nicht verprellen“, heißt es dort. Und im Maritim-Hotel will man sich zur Lage „in dieser schwierigen Lockdown-Situation“ lieber gar nicht äußern.

Unrentable Weihnachtsöffnung

Nun hat die Politik den kleinen Finger ausgestreckt und will zumindest über die Weihnachtsfeiertage Übernachtungen im Rahmen privater Familienbesuche zulassen. In Möhringen weiß man, dass sonst zu dieser Zeit schon einige Gäste dort absteigen, die Verwandte im Ort besuchen. Ob sie dieses Jahr auch kommen, weiß man allerdings nicht. Im Hotel Unger sind für diese Zeit bisher drei Zimmer gebucht. „Vielleicht werden es noch zehn“, sagt die Chefin, aber auch das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie kenne jedenfalls keinen Kollegen, der ein geschlossenes Hotel extra dafür aufmache.

Diese Vorstellung der Politik hält man auch beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) für naiv. „Wenn Hotels ohnehin geöffnet haben, können die das mitnehmen. Aber extra aufmachen, das Personal aus der Kurzarbeit holen, das rentiert sich nicht“, sagt der Landessprecher Daniel Ohl. Gleichwohl dächten trotzdem nicht wenige aus der Branche darüber nach. „Ob man es macht oder ob es sich lohnt, sind ja zwei Paar Stiefel“, sagt Ohl. Aus einer Umfrage wisse man, dass 90 Prozent der Betriebe eine Öffnung vom 23. bis 27. Dezember für wirtschaftlich sinnlos hielten. 30 Prozent der Befragten hätten aber gesagt, sie würden trotzdem öffnen – für die Gäste. Immerhin gebe es in diesem Punkt Klarheit. „Schließlich bekommen die Häuser ja Anfragen.“

Wie voll es letztlich über die Feiertage wird, weiß im Moment noch keiner. Und auch etwas anderes stellt die Betreiber vor Rätsel. Sie fragen sich, woran sie wohl erkennen sollen, dass da auch wirklich Gäste kommen, die Verwandte oder Bekannte besuchen. „Die Überprüfung ist in der Praxis unmöglich. Man kann die Leute ja schlecht fragen, ob sie wirklich der Onkel von jemandem in der Stadt sind“, sagt Ohl.

Zahlen werden noch schlechter

Generell hat die Krise die Hotellerie in Baden-Württemberg böse erwischt. Nach den letzten Zahlen des Statistischen Landesamts lag die Auslastung der Hotelbetten im Land zwischen Januar und September bei 30,2 Prozent. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 44,7 Prozent. „Dabei muss man aber bedenken, dass die beiden normalen Monate Januar und Februar noch drin sind, die neuerlichen Einschränkungen im Herbst und Winter aber noch nicht“, sagt Ohl. Deswegen erwarte man bis Jahresende noch eine weitere Verschlechterung.

Gemessen an früheren Krisen sei das „dramatisch“, heißt es beim Verband. Neu ist zudem ein anderes Phänomen: Auch gut aufgestellte Häuser geraten in Turbulenzen. Und zwar vor allem dann, wenn sie jüngst noch kräftig investiert und dafür Kredite aufgenommen haben, die sie nun bedienen müssen. Oder wenn sie nicht Eigentümer des Hotels sind und Pacht zahlen müssen.

Geschäftsreisende fehlen

Die Unterschiede im Land sind groß. Stuttgart und die Region trifft die Krise besonders hart, denn hier machen Geschäftsreisende und Veranstaltungsbesucher einen großen Teil der Übernachtungen aus. Ohne Messen und Kongresse, ohne Volksfest und Musicals kommen sie aber nicht. In Stuttgart ist die Auslastung in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahr von 51 auf 27 Prozent gesunken. In der ganzen Region ging es von 45 auf 25 Prozent runter. Sommerziele konnten dagegen punkten. Die höchste Auslastung bisher in diesem Jahr verzeichnet der Bodenseekreis mit 51 Prozent – nur ein geringer Rückgang im Vergleich zu 2019.

Die Fragen, die viele Hoteliers jetzt umtreiben, lauten: Wie lange dauert das alles? Und wann fließen welche Hilfszahlungen? Im Hotel Unger richtet man sich trotz Plasma-Luftreinigungsgerät auf weitere dürre Monate ein. „Ich glaube, das kann bis Ostern dauern“, sagt Susanne Zöller-Unger nüchtern. Irgendwie müsse man das schaffen. Maßgeblich hänge das aber davon ab, welche staatlichen Hilfen man bekomme.