Der Brexit-Stratege Dominic Cummings wird auch aus der Tory-Partei kritisiert. Foto: AP/Alberto Pezzali

Er war das Mastermind hinter der erfolgreichen Brexit-Kampagne 2016 und hat das Ohr von Boris Johnson. Doch jetzt muss dessen Chefberater Dominic Cummings um seinen Posten fürchten. Warum ist das so?

London - Am Sonntag musste Großbritanniens Premierminister Boris Johnson fürchten, seinen Topstrategen – das „Gehirn der Downing Street“ – zu verlieren. Der No-10-Chefberater Dominic Cummings, für viele Minister der „mächtigste Mann in der Regierung“, hatte sich über Quarantänerichtlinien hinweggesetzt, an deren Formulierung er selbst beteiligt gewesen sein soll.

Damit brachte Cummings Johnson in eine schwierige Lage. Kritiker erklärten gestern, er habe mit seinen Aktionen die Glaubwürdigkeit der Regierung erschüttert. Ranghohe Kabinettsmitglieder scharten sich zwar um ihn und beschuldigten die Opposition, die Affäre „zu politisieren“. Aber eine zunehmende Zahl konservativer Abgeordneter forderte Cummings zum Rücktritt auf.

Ausgelöst hatte die Krise die Nachricht, dass sich Cummings am letzten März-Wochenende in aller Stille auf den Weg zu seinen Eltern im nordenglischen Durham gemacht hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Frau Coronavirus-Symptome entwickelt. Cummings ging davon aus, dass auch er sich angesteckt hatte. Das bestätigte sich.

Fahrt 400 Kilometer zu den Eltern

Nach Regierungsangaben befürchtete das Paar, in dieser Situation nicht ausreichend für sein vierjähriges Kind sorgen zu können. Cummings verließ mit Frau und Kind in aller Eile das Haus in London und fuhr ins über 400 Kilometer weit entfernte Durham, wo seine Eltern lebten und eine Schwester und Nichte sich anboten, Hilfe zu leisten. Bereits am 23. März hatte die Regierung aber verordnet, dass Personen, bei denen sich Symptome einstellten, „unter keinen Umständen das Haus verlassen“ durften. Strikte Quarantäne der betreffenden Haushalte für 14 Tage war in diesem Fall vorgesehen – und kein Ausweichen auf einen Zweitwohnsitz anderswo.

Als der Durham-Trip Cummings jetzt am Wochenende bekannt wurde, verteidigte die Regierung den Johnson-Intimus mit den Worten, Cummings habe ja nur das Beste für sein Kind gewollt, und die Richtlinien erlaubten „etwas Flexibilität“ in dieser Frage. In Durham habe sich die Familie immerhin 14 Tage lange brav isoliert, bevor sie nach London zurückgekehrt sei.

Regierung verteidigt Verhalten von Cummings

Es sei „vollkommen richtig“ gewesen, dass Cummings „jemanden suchte, der sich um seinen Kleinen kümmern konnte“, meinte etwa Gesundheitsminister Matt Hancock. Frustrierte Mitbürger wiesen darauf hin, dass man von ihnen erwartet hatte, nach sofortiger Selbstisolierung bei Erkrankung die Frage der Kinderfürsorge an Ort und Stelle, also am Hauptwohnsitz, zu regeln.

Oppositionspolitiker klagten, für „die Mächtigen im Lande“ gälten offenbar „andere Regeln als für den Rest“. Eine wachsende Zahl von Tory-Parlamentariern verlangte so am Sonntag den Rücktritt von Cummings oder dessen Entfernung aus dem Amt.

Stellvertretend für viele Parteigänger erklärte der prominente Hinterbänkler Steve Baker: „Unser Land kann sich diesen Unsinn, diese Pantomime nicht länger erlauben.“ Cummings stelle die gesamte Coronavirus-Botschaft der Regierung infrage, sagte Baker. Er untergrabe Johnsons Autorität. Bezeichnenderweise gehört Baker zu den ausgesprochenen Brexit-Hardlinern, die in vielem mit Cummings übereinstimmen, sich aber seit Langem sträflich ignoriert fühlen von No 10 Downing Street.

Der gefürchtete Stratege

In seiner Rolle als Chefberater des Premierministers hat Dominic Cummings nach Ansicht seiner Gegner schlicht zu viel Einfluss auf die Regierungspolitik gewonnen. Johnson sei geradezu abhängig von ihm geworden, meinen Leute wie Baker besorgt. Cummings galt als der Kopf hinter der erfolgreichen Brexit-Kampagne 2016.